Tax Compliance

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2. Der Begriff Tax

20

Wird durch den Begriff Corporate Compliance bereits eine Beschränkung des allgemeinen Compliance-Begriffs auf den Unternehmenskontext vorgenommen, so erfolgt durch den Begriff Tax Compliance offensichtlich eine weitere Spezifizierung bzw. Abgrenzung. In welcher Weise, wird nachstehend erläutert.

a) Übersetzung

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Der englische Begriff „Tax“ wird ganz allgemein mit „Abgabe“,[38] zum Teil etwas konkreter auch mit „Steuern“[39] übersetzt oder auch als Besteuerung, Gebühr oder Taxe[40] verstanden.

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Mit dem zusammengesetzten Begriff Tax Compliance ist demnach die Einhaltung von Steuergesetzen gemeint[41] bzw. die Erfüllung steuerlicher Pflichten.[42] Verschiedentlich wird in diesem Zusammenhang auch von Steuerehrlichkeit sowie Steuermoral gesprochen.[43]

23

Auch der Begriff Tax Compliance ist weitestgehend in die deutsche Rechtssprache aufgenommen worden, nur vereinzelt wird synonym der (teilübersetzte) Begriff der steuerlichen Compliance[44] verwendet.

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Durch den Begriff Tax Compliance erfolgt ersichtlich eine Begrenzung der Betrachtung auf ein bestimmtes Rechtsgebiet: das Steuerrecht. Wie nachfolgend begründet wird, liegt diesem Handbuch jedoch eine weite Begriffsauslegung zugrunde.

b) Der Steuerbegriff nach der Abgabenordnung und seine Erweiterung

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Nach der gesetzlichen Definition in § 3 Abs. 1 der Abgabenordnung sind unter dem Begriff der Steuern einmalige oder laufende Geldleistungen zu verstehen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlich Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.[45] Aufgrund der Beschränkung auf Geldleistungen unterfallen dem Steuerbegriff somit keine Sach- und Dienstleistungen.[46]

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Die Regelung des § 3 Abs. 3 S. 1 AO stellt klar, dass auch Einfuhr- und Ausfuhrabgaben („Zoll“) unter den gesetzlichen Steuerbegriff fallen; diese Abgaben werden deshalb nach gängiger Auslegung ebenfalls von dem Tax Compliance-Begriff erfasst.[47]

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Nach der hier vertretenen Ansicht fällt darüber hinaus auch das Sozialabgabenrecht (SGB IV) unter den Tax Compliance-Begriff. Aufgrund des Parallellaufs der Lohnsteuer und der Sozialabgaben – das nach § 266a Abs. 1 StGB strafbare Vorenthalten der Beiträge gegenüber der Einzugsstelle ist typisches Begleitdelikt zu Steuerhinterziehung –[48] macht in der Unternehmenspraxis eine Betrachtung lohnsteuerlicher Risiken ohne Einbeziehung der verknüpften sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen keinen Sinn.[49]

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Neben den steuerrechtlichen und sozialabgabenrechtlichen Vorschriften und Gesetzen[50] lassen sich zudem auch solche Rechnungslegungsnormen dem Begriff Tax Compliance zuordnen, die sich auf das sog. Tax Accounting[51] beziehen. Es handelt sich um Normen betreffend die Bilanzierung laufender und latenter Steuern nebst zugehörigen steuerlichen Anhangsangaben im Rahmen der Finanzberichterstattung.[52] Der Grund für die Erweiterung auch auf solche Normen außerhalb des Steuerrechts mag nicht unmittelbar ersichtlich sein. Fehler in der Anwendung von Tax Accounting Normen können jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Ertragsteuerposition des Unternehmens haben.[53] Daher ist auch diesem Risiko mit Maßnahmen zur Tax Compliance zu begegnen.[54]

c) Einordnung in die Corporate Compliance

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Das Verständnis, dass es sich bei dem Compliance-Begriff um eine Art Ober- beziehungsweise Sammelbegriff handelt, welcher auch die Tax Compliance mit erfasst, liegt auch den englisch-sprachigen Definitionen zu Grunde, die Tax Compliance als eine „subarea of compliance“[55]ansehen. Die Tax Compliance betrifft also nur einen Teilbereich der allgemeinen Compliance und ist darauf gerichtet, Steuergesetze (und im vorstehenden Sinne verknüpfte Regelungen) zu befolgen sowie haftungsrechtliche und steuerstrafrechtliche Risiken zu vermeiden.[56]

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Zugleich soll sich der Begriff Tax Compliance wiederum nicht auf das (steuer-)gesetzeskonforme Verhalten einer natürlichen Person beziehen, sondern als „integraler Bestandteil“[57] zur Corporate Compliance verstanden werden.[58] Die Tax Compliance fügt sich daher begrifflich problemlos in die Definition von Corporate Compliance ein, sodass das Voranstehende auch für die Tax Compliance gilt: Auch mit dem Terminus Tax Compliance soll nicht die bloße Notwendigkeit der Einhaltung von steuerlichen Geboten und Verboten zum Ausdruck gebracht werden, sondern die Anforderung aus der Perspektive des Unternehmens, durch geeignete Prozesse systematisch und dauerhaft sicherzustellen, dass die steuerlichen Pflichten von der Geschäftsführung und den Mitarbeitern beachtet und befolgt werden.[59]

3. Weitere Abgrenzungsfragen

a) Tax Compliance und Steuerdeklaration

31

Für den Begriff der Tax Compliance hat sich noch keine einheitliche Definition herausgebildet; Aspekte der allgemeinen Compliance, die unter diesem Terminus zusammengefasst werden können, werden erst in jüngerer Zeit verstärkt in der Literatur diskutiert.[60] Das Begriffsverständnis variiert daher, je nach Sichtweise desjenigen, der den Begriff der Tax Compliance benutzt.[61]

32

So wird der Begriff der Tax Compliance in Praxis und Schrifttum oft auch mit einem eher administrativ-operativ ausgerichteten Verständnis gebraucht, welches auf dem klassischen Aufgabenspektrum von Unternehmenssteuerabteilungen aufsetzt[62] Dieses Aufgabenspektrum umfasst die Tätigkeiten in den drei Bereichen Steuerdeklaration, Steuerdurchsetzung und Steuergestaltung.[63] Zu dem Aufgabengebiet der Steuerdeklaration gehören insbesondere die Arbeiten zur Erstellung und Abgabe von Steuererklärungen/-anmeldungen, zur Erfüllung steuerlicher Dokumentationsanforderungen, zur Prüfung von Steuerbescheiden, zur Überwachung der rechtzeitigen Zahlung bzw. Geltendmachung von Steuerverbindlichkeiten/-ansprüchen sowie die Betreuung von steuerlichen Betriebsprüfungen.[64] Alle diese Tätigkeiten werden verschiedentlich unter dem Schlagwort Tax Compliance zusammengefasst. Auf diese Weise verwendet, steht dieser Begriff dann lediglich für den Steuererklärungsprozess[65] oder etwas weiter gefasst für den Besteuerungsprozesses[66] und die sich daraus für das Unternehmen ergebenden Aufgaben und Pflichten.[67] Die voranstehend getroffene Definition geht eindeutig über dieses Begriffsverständnis hinaus.

b) Das Begriffsverständnis der Finanzverwaltung

33

Die Finanzverwaltung verwendet den Begriff „Tax Compliance“ aus ihrer eigenen, öffentlich-rechtlichen Sicht.[68] Auch nach dem Verständnis der Finanzverwaltung[69] steht Tax Compliance zunächst für „die Einhaltung und Erfüllung steuerlicher Pflichten“,[70] mithin für das steuerliche Wohlverhalten der Steuerpflichtigen. Darüber hinaus verbindet die Finanzverwaltung mit dem Begriff der Tax Compliance jedoch noch ein strategisches Interesse: Der Steuerpflichtige soll zu einer verbesserten Einhaltung der Steuergesetze motiviert werden.[71] Dies soll den Kontrollbedarf für den einzelnen Steuerfall nachhaltig senken, die Effizienz des Verwaltungshandelns erhöhen sowie die Effektivität des Gesetzesvollzuges steigern.[72]

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Um dieses Ziel zu erreichen, folgt die Finanzverwaltung der Kooperationsmaxime.[73] Ausgehend von der Annahme, dass niemand gerne Steuern zahlt und nur wenige aus eigenem Antrieb mitwirken, sollen kooperativen Steuerpflichtigen Vorteile gewährt und für den Fall der Nichtkooperation eine nachteilige Behandlung angedroht werden.[74] Diese Doppelstrategie bezweckt, dass einerseits für den rechtstreuen Steuerpflichten gesorgt wird, andererseits aber auch eine zuverlässige Sanktionierung unehrlichen Verhaltens erfolgt.[75] Unter Tax Compliance versteht die Finanzverwaltung somit in erster Linie ein strategisches Konzept, dessen Ziel in einer „hoheitlich kontrollierten Selbstregulierung des Steuervollzugs“[76] liegt.[77] Mit diesem besonderen Fokus lässt sich dieses Konzept nicht unter die voranstehende Definition der Begriffe Corporate Compliance und Tax Compliance fassen; vielmehr handelt es sich um einen Ansatz zur Reform des Steuervollzuges in Deutschland. Gleichwohl dürfte dieses Konzept Auswirkungen auf die Bemühungen der Unternehmen haben, die steuerrechtliche Rechtsbefolgung durch geeignete Prozesse systematisch und dauerhaft sicherzustellen.

c) Tax Compliance und steuerliches Risikomanagement

35

Nicht immer trennscharf ist auch die Abgrenzung des Tax Compliance-Begriffs zum Begriff des steuerlichen Risikomanagements.

36

Ein steuerliches Risikomanagement ist integraler Bestandteil eines unternehmensweiten Risikomanagements[78] und umfasst deshalb gleichsam Bestandteile der Risikofrüherkennung- und Risikobewältigung wie auch Elemente des internen Kontrollsystems, soweit diese auf die Steuerdeklarations-, Steuerrechtsdurchsetzungs- und Steuergestaltungstätigkeiten ausgerichtet sind.[79] Zu einem steuerlichen Risikomanagement gehören darüber hinaus auch solche Maßnahmen, durch die sichergestellt werden soll, dass die steuerlichen Pflichten erfüllt werden, mithin Maßnahmen zur Tax Compliance. Denn die Funktion, gesetzestreues Handeln sicherzustellen, ist dem steuerlichen Risikomanagement ebenso inhärent wie dem unternehmensweiten Risikomanagement.[80] Insofern umfasst ein integriertes steuerliches Risikomanagement nicht nur die „Identifizierung, Bewertung und Steuerung steuerrechtlicher Risiken“[81], sondern ebenso auch Maßnahmen zur Vermeidung bzw. frühzeitigen Aufdeckung von Rechtsverletzungen; es dient somit letztlich der Sicherstellung von (steuerlicher) Gesetzestreue.

 

37

Im Unterschied dazu wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass ein steuerliches Risikomanagement nicht notwendigerweise Sicherungsmaßnahmen zur Gesetzestreue beinhalten muss, da es lediglich zum Ziel habe, Steuerrisiken zu vermeiden.[82] Eine solche Abgrenzung erfordert jedoch entweder, dass die aus Verstößen gegen steuerliche Pflichten resultierenden Compliance-Risiken nicht als Steuerrisiken verstanden werden.[83] Oder diesem Begriffsverständnis liegt die Vorstellung zu Grunde, dass Tax Risk Management gleichbedeutend mit Tax Management sei.[84] Das steuerliche Risikomanagement, so wie es vorliegend verstanden wird, würde in diesem Fall aus dem Corporate Governance Kontext herausgelöst und auf Maßnahmen allein zur Optimierung der Steuerbelastung (relative Steuerbarwertminimierung bzw. Optimierung der Konzernsteuerquote) des betroffenen Steuersubjektes reduziert. Eine derart verengte Sichtweise zu einem Tax (Risk) Management wäre notwendigerweise mit einem rein quantitativ ausgerichteten steuerlichen Zielkonzept verknüpft und dürfte deshalb kaum Bedeutung in der Unternehmenswirklichkeit haben.

Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 1. Kapitel Definition und Zwecksetzung › II. Zwecksetzung der Tax Compliance

II. Zwecksetzung der Tax Compliance

1. Ziel der Tax Compliance

38

Die Einhaltung von Steuergesetzen bzw. die Erfüllung steuerlicher Pflichten: In dieser voranstehenden Begriffsdefinition kommt die Zielsetzung der Tax Compliance klar zum Ausdruck. In der bloßen Gesetzeskonformität wird vielfach jedoch nicht der eigentliche Wert gesehen, vielmehr zielen Maßnahmen zur Tax Compliance darauf ab, die negativen Folgen gesetzeswidriger Handlungen abzuschwächen oder gänzlich zu vermeiden. Die Verletzung steuerlicher Pflichten von Unternehmen kann sowohl steuerliche[85] als auch zivilrechtliche Haftungsrisiken auslösen. Neben Reputationsrisiken drohen zusätzlich insbesondere strafrechtliche und steuerordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen gegen die Organe und Mitarbeiter des Unternehmens. Ferner können entsprechende Verfehlungen auch eine Bebußung sowie eine Gewinnabschöpfung bei dem Unternehmen selbst zur Konsequenz haben.

39

Insofern ist es anerkanntes Ziel der allgemeinen Corporate Compliance, im Unternehmen den Haftungsgrund selbst zu vermeiden und das Haftungsrecht somit „umzustülpen“; die klassische Abfolge von Gesetzesverstoß und darauffolgender Sanktionierung durch zum Beispiel Schadensersatzansprüche soll durchbrochen werden.[86] In gleicher Weise verhält es sich bei der Tax Compliance. Hier stehen insoweit die Sanktionen des Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechts im Fokus.

40

Gleichwohl ist es nicht der Anspruch von Tax Compliance-Bemühungen, grundsätzlich alle Gesetzesverstöße zu verhindern. Ein solches Ziel wäre unrealistisch. Schon aufgrund der Komplexität des deutschen Steuerrechts und der Vielzahl von Geschäftsvorfällen, die in den Steuererklärungen eines Unternehmens abzubilden sind, lassen sich Arbeitsfehler nie in Gänze ausschließen. Ziel ist es vielmehr, durch ein angemessenes Tax Compliance-System Gesetzesverstöße/Fehler auf ein Minimum zu reduzieren und damit verbunden das Risiko steuerstrafrechtlicher bzw. bußgeldrechtlicher Sanktionen signifikant abzusenken.[87]

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Dies bedeutet zuallererst sicherzustellen, dass keine objektiv falschen Steuererklärungen abgegeben werden. In dieser Hinsicht bezwecken Tax Compliance-Maßnahmen die Qualitätssicherung. Während die Minimierung der Steuerlast unter Beachtung der geltenden Steuergesetze der Grundgedanke der Steueroptimierung ist, soll durch die Qualitätssicherung alles vermieden werden, was ein „Zuviel“ an Steuern auslöst, um die Steuerlast so niedrig wie möglich zu halten.[88] Sowohl die Steueroptimierung als auch die Qualitätssicherung folgen somit letztlich dem Motiv der Steuerersparnis. Problematisch wird es, wenn die Steueroptimierung die Grenzen des gesetzlich Zulässigen überschreitet.[89] Es ist daher auch Aufgabe der Tax Compliance sicherzustellen, dass Maßnahmen zur Steueroptimierung die Grenze zum Gestaltungsmissbrauch nicht überschreiten. Ein angemessenes Tax Compliance-System ermöglicht daher, dass unter Beachtung der maßgeblichen steuerlichen Pflichten durch Maßnahmen zur Steueroptimierung eine möglichst geringe Steuerbelastung erreicht wird, ohne dass dabei steuerstraf- bzw. ordnungswidrigkeitsrechtliche Tatbestände verwirklicht werden.[90]

2. Funktion der Tax Compliance

42

Wir bereits ausgeführt, gibt es nicht nur über den Wortsinn und die Zuordnung der (Tax) Compliance zu einem bestimmten Fachgebiet unterschiedliche Ansichten, sondern auch über die Funktionsweise.

43

Der Compliance wird zunächst eine repressive Funktion beigemessen.[91] Repressiv wirken Compliance-Maßnahmen insofern, als Regelverstöße aufgedeckt, verfolgt und geahndet werden sollen. Ähnlich wie im Polizei – und Ordnungsrecht sind neben den repressiven Maßnahmen jedoch auch präventive Maßnahmen zu berücksichtigen. Anders als die repressiven Maßnahmen zielen die präventiven Maßnahmen nicht auf eine Strafverfolgung, sondern auf die Verhinderung von Gesetzesverstößen.

44

In dieser Hinsicht hat Compliance dann eine präventive (Schutz-)Funktion: Durch vorbeugende organisatorische Maßnahmen sollen Gesetzes-/Regelverstöße vermieden werden.[92] Allerdings ist diesbezüglich vor einer sog. „Schön-Wetter-Compliance“ zu warnen, die sich in präventiven Maßnahmen erschöpft und die schwierigen Maßnahmen interner Untersuchungen sowie Disziplinarmaßnahmen ausblendet.[93]

3. Anforderungen an die Tax Compliance

45

Eine stetige Verschärfung der steuerlichen Dokumentations- und Mitwirkungspflichten für die Steuerpflichtigen sowie immer bessere Zugriffs- und Untersuchungsmöglichkeiten der deutschen Finanzverwaltung haben dazu geführt, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit für steuerliche Rechtsverstöße und damit auch das Risiko steuerstrafrechtlicher Ermittlungen in Unternehmen bzw. gegen Organe/Mitarbeiter in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen sind. Hinzu kommt eine deutliche Verschärfung der Rechtsprechung des BGH in Steuerstrafsachen[94] sowie der gesetzlichen Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige. All dies zusammengenommen hat zu einer deutlichen Klimaverschärfung im Steuerstrafrecht geführt.[95]

46

In diesem, für Unternehmensverantwortliche und Steuerabteilungsleiter herausfordernden Umfeld hat sich das Bundesfinanzministerium der Finanzen mit einer Änderung/Ergänzung des Anwendungserlasses zu § 153 AO erstmals zur Bedeutung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems (auch Tax Compliance Managementsystem) für Unternehmen, deren Organe und ihrer Mitarbeiter geäußert und damit einen normativen Anknüpfungspunkt für die Bedeutung eines solchen Systems bei der Beurteilung der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit von objektiv feststellbaren Verletzungen steuerliche Pflichten gesetzt.

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Die Verwaltungsanweisung enthält jedoch keine Hinweise zur konkreten Ausgestaltung eines solchen Systems mit Indizwirkung. Somit verbleibt eine Rechtsunsicherheit, da dem Steuerpflichtigen selbst die Ausgestaltung eines solchen Tax Compliance-Managementsystems überlassen wird und es andererseits den jeweils zuständigen Amtsträgern obliegt festzustellen, ob das eingerichtete Tax Compliance Managementsystem im konkreten Einzelfall als ausreichend zu beurteilen ist.[96]

Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 1. Kapitel Definition und Zwecksetzung › III. Ausblick

III. Ausblick

48

Bedurfte es trotz der allgemeinen Rechtsentwicklung auf dem Gebiet der Compliance noch eines zusätzlichen Anstoßes für die Erkenntnis, dass die steuerliche Compliance im Rahmen der Corporate Compliance einen hohen Stellenwert einnehmen muss, so ist dieser in der vorgenannten Verlautbarung des BMF nun gegeben. Doch mit der Erkenntnis allein ist noch nicht viel gewonnen. Oft genug fehlt in Unternehmen noch der notwendige systematische Ansatz: Die Bemühungen richten sich lediglich auf ausgewählte Steuerrisiken, denen durch vorbeugende Maßnahmen versucht wird zu begegnen. Es bedarf jedoch eines umfassenden Tax Compliance Managementsystems, um den regulatorischen Anforderungen angemessen zu begegnen und um die strategische Herausforderung der Vermeidung von entsprechenden Haftungs- und Strafrisiken zu meistern.

49

Die nachfolgenden Kapitel zeigen Grundsätze auf, auf die bei der Ausgestaltung eines unternehmensindividuellen Tax Compliance-Managementsystems zurückgegriffen werden kann. In den verschiedenen Beiträgen werden zudem wesentliche steuerliche Risikofelder betrachtet und jeweils dargestellt, welche besonderen Herausforderungen an die Erfüllung der steuerlichen Pflichten bestehen und wie diesen im Einzelfall sinnvoll begegnet werden kann.

Anmerkungen

[1]

Vgl. PONS Großwörterbuch Englisch, 2001.

[2]

Vgl. z.B. Schäfer-Wirtschaftswörterbuch Englisch, 2004 oder PONS Großwörterbuch Englisch, 2001.

[3]

Vgl. Betteridge Cassellʼs German Dictionary, 1978; Hamblock/Wessels Großwörterbuch Wirtschaftsenglisch Englisch-Deutsch, 2006.

[4]

Vgl. www.duden.de/rechtschreibung/Compliance, Stand 3.8.2017.

[5]

Vgl. Szesny/Kuthe/Kuthe/Szesny 1. Kap. Rn. 7.

[6]

Vgl. Dieners/Lembeck Kap. 1 Rn. 1.

[7]

Vgl. Eufinger CCZ 2012, 21, 22.

[8]

Vgl. Eufinger CCZ 2012, 21.

[9]

Vgl. Buff S. 10 ff.

[10]

Vgl. zu den gesetzlichen Grundlagen das 2. Kap.

[11]

Vgl. Früh CCZ 2010, 121.

[12]

Vgl. Dietl/Lorenz Wörterbuch – Recht, Wirtschaft & Politik.

[13]

Vgl. Accounting & Tax Dictionary, Woywode, 2000.

[14]

Vgl. Inderst/Bannenberg/Poppe 1. Kap. Rn. 1.

[15]

 

Vgl. Streck/Mack/Schwedhelm Kap. 1 Rn. 1.

[16]

Vgl. Jäger/Rödl/Campos Nave S. 17.

[17]

Vgl. Creifelds Rechtswörterbuch, 2014.

[18]

Vgl. Creifelds Rechtswörterbuch, 2014.

[19]

Vgl. Inderst/Bannenberg/Poppe 1. Kap. Rn. 2.

[20]

Vgl. zu den gesetzlichen Grundlagen das 2. Kap.

[21]

Vgl. Moosmayer NJW 2012, 3013.

[22]

Verantwortungsvolles Handeln in diesem Sinne umfasst nicht nur gesetzestreues Handeln, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung moralischer Normen.

[23]

Vgl. Moosmayer NJW 2012, 3013.

[24]

Vgl. Hüffer/Schneider ZIP 2010, 55.

[25]

Vgl. Streck/Mack/Schwedhelm Kap. 1 Rn. 3.

[26]

Vgl. Streck/Mack/Schwedhelm Kap. 1 Rn. 3.

[27]

Vgl. Hamblock/Wessels Großwörterbuch Wirtschaftsenglisch Englisch-Deutsch, 2006.

[28]

Grützner/Jakob S. 48.

[29]

Vgl. Geuenich/Kiesel BB 2012, 155.

[30]

Gemeint sein können selbstverständlich nur diejenigen Rechtsnormen, welches für das Unternehmen relevant sind, vgl. Streck/Mack/Schwedhelm Kap. 1 Rn. 3.

[31]

Vgl. Jäger/Rödl/Campos Nave S. 25.

[32]

Vgl. Moosmayer S. 1.

[33]

Vgl. Jäger/Rödl/Campos Nave S. 17.

[34]

Vgl. Brauer/Steffen/Biermann/Schuler S. 17.

[35]

Vgl. Brauer/Steffen/Biermann/Schuler S. 17.

[36]

Vgl. Brauer/Steffen/Biermann/Schuler S. 18.

[37]

Vgl. dazu eingehend Kap. 3.

[38]

PONS Großwörterbuch Englisch, 2001.

[39]

PONS Großwörterbuch Englisch, 2001 oder Duden Oxford Standartwörterbuch Englisch, 1999.

[40]

Vgl. Hamblock/Wessels Großwörterbuch Wirtschaftsenglisch Englisch-Deutsch, 2006.

[41]

Vgl. Roman/Bader/Byrd Dictionary of Legal and Commercial Terms, 2010.

[42]

Vgl. Rogge BB 2014, 664.

[43]

Vgl. Hamblock/Wessels Großwörterbuch; Wirtschaftsenglisch Englisch-Deutsch, 2006.

[44]

Vgl. Inderst/Bannenberg/Poppe/Demuth/Kaiser/Eberhard 5. Kap. Rn. 600 ff.

[45]

S. auch Creifelds Rechtswörterbuch 2001.

[46]

Vgl. Koenig Abgabenordnung § 3 Rn. 11.

[47]

In gleicher Weise abgrenzend Streck/Mack/Schwedhelm Kap. 1 und Hauschka/Moosmayer/Lösler/Besch/Starck § 33 Rn. 3.

[48]

Vgl. Streck/Mack/Schwedhelm/Olgemöller Kap. 2 Rn. 247.

[49]

Vgl. Geunich/Kiesel BB 2012, 155 oder Streck/Mack/Schwedhelm/Olgemöller Kap. 2 Rn. 177 ff.

[50]

Zum steuerrechtlichen Pflichtengefüge vgl. Aufzählung bei Kamp Steuercontrolling im internationalen Konzern 2011 S. 13; zu den besonderes relevanten Bereichen des Sozialabgabenrechts vgl. Streck/Mack/Schwedhelm/Olgemöller Kap. 2 Rn. 232 ff.

[51]

Eingehender zu diesem Begriff Gersbacher Konzernsteuerquote – Performance Messung von Steuerabteilungen und die damit verbundenen Anforderungen 2011 S. 180 ff.

[52]

Im Rechnungslegungssystem der IFRS sind dies insb. IAS 12 und IAS 37, innerhalb der US-GAAP befasst sich ASC 740 mit Steuern (insb. ASC 740.10.50) und als deutsche handelsrechtliche Norm ist § 274 HGB zu nennen.

[53]

Vgl. Risse/Große-Allermann Ubg 2010, 629, 632.

[54]

Wohl in diesem Sinne verknüpfen Wecker/van Laack/Künstler/Seidel S. 243, die sich aus dem Sarbanes-Oxley Act, Section 404, ergebenden Pflichten mit dem Begriff der Tax Compliance und definieren diesen als „internes Kontrollsystem zur Sicherstellung einer effektiven Finanzberichterstattung im Steuerbereich von Unternehmen“.

[55]

Grützner/Jakob S. 167.

[56]

Vgl. Inderst/Bannenberg/Poppe/Demuth/Kaiser/Eberhard 5. Kap. Rn. 600.

[57]

Geuenich/Kiesel BB 2012, 155.

[58]

Vgl. Streck/Mack/Schwedhelm Kap. 1 Rn. 4.

[59]

Vgl. Geuenich/Kiesel BB 2012, 155.

[60]

Vgl. noch Hauschka/Moosmayer/Lösler/Besch/Starck § 33 Rn. 1; Schwedhelm AnwBl. 2009, 90; Streck/Binnewies DStR 2009, 229.

[61]

Vgl. Wecker/van Laack/Künstler/Seidel S. 243.

[62]

Vgl. zu dieser Feststellung Kälin/Strohe ZRFC 2011, 102 ff.

[63]

Vgl. Rose StbJb 1969/1970, S. 36 ff.

[64]

Vgl. Loose Textmanagement der kapitalmarktorientierten internationalen Unternehmung, S. 7.

[65]

In diesem Sinne als Bezeichnung für eine von mehreren Prozesskategorien verwendet, die in Steuerabteilungen vorzufinden sind, bei Loitz WPg 2005, 817, 825, Tz. 3.4.3; Meyer/Loitz/Lindner/Zerwas Latente Steuern, § 7 Interne Kontrollsysteme im Tax Accounting, S. 298, Rn. 32 ff.; vgl. auch Büssow/Taetzner BB 2005, 2437, 2443; Brans/Feyerabend BB 2004, 1994, 1997; Wecker/van Laack/Künstler/Seidel S. 244 ordnen dieses Begriffsverständnis der Sicht des steuerlichen Beraters zu in Abgrenzung zur Unternehmenssicht.

[66]

Kamp Steuercontrolling im internationalen Konzern, S. 18 ff., spricht in diesem Zusammenhang vom „Compliance-Prozess“ und den „Compliance-Aufgaben“.

[67]

Loose Taxmanagement der kapitalmarktorientierten internationalen Unternehmung, S. 49, Rn. 170, subsumiert unter „Tax Compliance-Tätigkeiten“ nicht nur die Steuerdeklarations-, sondern auch die Steuerdurchsetzungstätigkeiten, verknüpft im Ergebnis jedoch ebenso lediglich Teile des klassischen Aufgabenspektrums von Steuerabteilungen mit diesem Begriff.

[68]

Vgl. Tipke/Kruse/Seer Abgabenordnung § 85 Rn. 28.

[69]

Eine amtliche Definition liegt bislang nicht vor; das innerhalb der Finanzverwaltung vorherrschende Begriffsverständnis lässt sich lediglich anhand der vorliegenden Veröffentlichungen einzelner Verwaltungsmitglieder erschließen.

[70]

Nagel/Waza DStZ 2008, 321, 323; so auch bereits Seer StuW 2003, 40, 52.

[71]

Vgl. Nagel/Waza DStZ 2008, 321, 323; zum Ansatz der „positiven Beeinflussung der Steuerzahler“ mittels einer Compliance-Strategie vgl. auch Schmidt DStJG Bd. 31, S. 37, 41 f.

[72]

Vgl. Schwedhelm AnwBl 2009, 93.

[73]

Vgl. Tipke/Kruse/Seer Abgabenordnung § 85 Rn. 28.

[74]

Vgl. Tipke/Kruse/Seer Abgabenordnung § 85 Rn. 28.

[75]

Vgl. Seer DStR 2008, 1553, 1554.

[76]

Binnewies/Spatscheck/Seer FSM. Streck, 2011, S. 403, 405.

[77]

Zur Kritik an diesem Konzept vgl. Streck/Mack/Schwedhelm Kap. 1 Rn. 1.15; beipflichtend Hauschka/Moosmayer/Lösler/Besch/Starck § 33 Rn. 6; Inderst/Bannenberg/Poppe/Demuth/Kaiser/Eberhard 5. Kap. Rn. 600.

[78]

Vgl. Gersbacher Konzernsteuerquote – Performance Messung von Steuerabteilungen und die damit verbundenen Anforderungen, S. 187; Spindler/Tipke/Rödder/Montag FS H. Schaumburg, 2009, S. 73; Endres/Rödl/Spengel/Scheffler DStR 2009, 2500, Salzberger IStR 2008, 555.

[79]

Vgl. zur Hierarchie der verschiedenen Management- und Kontrollsysteme Kapitel 4.

[80]

Im Ergebnis so auch Endres/Rödl/Spengel/Scheffler DStR 2009, 2500, 2502, die zwar nicht explizit das Tax Compliance-System als Teilbestandteil des steuerlichen Risikomanagementsystems abgrenzen, jedoch deutlich herausstellen, dass „das traditionelle Ziel der Optimierung der Konzernsteuerquote […] [weiterbesteht], […] sich aber in den durch das Tax Risk Management vorgegebenen Grenzen bewegen [muss].“

[81]

Vgl. Definition des „Steuerrisikomanagement“ bei Loose Taxmanagement der kapitalmarktorientierten internationalen Unternehmung, 2009, S. 205.

[82]

Vgl. Streck/Mack/Schwedhelm Kap. 1 Rn. 1.7; ebenso Hauschka/Moosmayer/Lösler/Besch/Starck § 33 Rn. 7.

[83]

Zu den ungeachtet dessen bestehenden Schwierigkeiten, die Wirkungen von Tax Compliance-Verstößen auf den Unternehmenswert zutreffend abzubilden und den damit verbunden Einschränkungen für ein konzernsteuerquotenbasierten steuerlichen Risikomanagementsystems vgl. Mammen die Konzernsteuerquote als Lenkungsinstrument im Rahmen des Risikomanagementsystems börsennotierter Muttergesellschaften, 2010, zusammenfassend ab S. 503.

[84]

Zur Unterscheidung dieser beiden Begriff vgl. Gersbacher Konzernsteuerquote – Performance Messung von Steuerabteilungen und die damit verbundenen Anforderungen, 2012, S. 164 ff.

[85]

Vgl. Aichberger/Schwartz DStR 2015, 1691.

[86]

Vgl. Schwedhelm AnwBl 2009, 91.

[87]

Vgl. IDW/Schwartz Tax Compliance, S. 61.

[88]

Vgl. Schwedhelm AnwBl 2009, 91.

[89]

Vgl. zum Gestaltungsmißbrauch Kap. 6.

[90]

Vgl. Rogge BB 2014, 664.

[91]

Vgl. Hüffer/Schneider ZIP 2010, 55.

[92]

Vgl. Inderst/Bannenberg/Poppe 1. Kap. Rn. 8.

[93]

Vgl. Moosmayer NJW 2012, 3013, 3014.

[94]

Exemplarisch sind folgende Entscheidungen zu nennen: BGH NJW 2009, 528 (Millionengrenze); BGH DStR 2010, 113 (Selbstanzeige-Beschluss), BGH NJW 2016, 965 (Steuerverkürzung in großem Ausmaß).

[95]

Vgl. zu dieser Feststellung IDW/Schwartz Tax Compliance, S. 56.