Grüne Antibiotika

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Grüne Antibiotika
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

INHALT

Vorwort

Apocalypse Now

Kampf gegen Keime

Schimmelpilze

Arsphenamin

Penicillin

Methicillin

Antibiotika-Ära

Regeneration nach Antibiotikatherapie

Mikroben im Widerstand

Antibiotikaresistenz

Antibiotikaflutung

Keime im Krankenhaus

Antibiotika in der Nahrungskette

Antibiotika in der Postmoderne

Bakterien als Partner

Hautflora

Darmflora

Scheidenflora

Grüne Antibiotika

Immunverstärker

Glänzender Lackporling, Rosenwurz, Schlafbeere, Sonnenhüte (Echinacea), Taigawurzel, Tragant, Wasserdost, Extra: Vitamin D

Synergiekräuter

Ingwer, Lakritz, Pfeffer/Piperin

Lokal wirksame Antibiotikakräuter

Berberitze und Mahonie (Berberin), Flechten/Usnea, Honig, Wacholder

Systemisch wirksame Kräuter

Alchornea (Wolfsmilchgewächse), Beifuß (Artemisia), Cryptolepis (Hundsgiftgewächse), Sida (Malvengewächse), Zweizahn (Bidens)



MRSA und resistente Mikroorganismen

Grampositive Bakterien

Clostridium difficile, Enterococcus faecalis/faecium, Mycobacterium tuberculosis, Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes/pneumoniae

Gramnegative Bakterien

Acinetobacter baumannii, Escherichia coli, Haemophilus, Klebsiella pneumoniae, Proteus, Pseudomonas aeruginosa, Salmonella, Shigella

Nicht-bakterielle Mikroorganismen

Candida albicans, Aspergillus fumigatus, Plasmodium falciparum

Infektionen alternativ behandeln

Akne, Akute Bronchitis, Bindehautentzündung, Furunkel, Gelenkentzündung, Grippaler Infekt, Harnwegsinfektion, Hautentzündungen, Herpes-Infektion, Magen-Darm-Infektion, Mandelentzündung, Nasennebenhöhlenentzündung, Ohrinfektion, Pilzinfektion

Heilkräuter zubereiten

Sammeln und Aufbewahren

Wasserauszug

Alkoholauszug

Ölauszug

Salbe und Lotion

Das Heilkraut als Ganzes

Essenzielle Öle

Glossar

Infoservice

Lektüre

Weitere Veröffentlichungen des Autors

Impressum und Bildnachweis

Register


Vorwort

Willkommen mitten im Leben. Und das Leben, von dem hier die Rede ist, präsentiert sich mit allen bekannten Attributen: bunt und wild, vielfältig und rätselhaft, voller Überraschungen und Wunder, bestimmt von Kooperation und Kampf, mit Siegern und Verlierern – mit einem Wort: Leben und Überleben.

Die Hauptdarsteller des Dramas Biologie versus Antibiotika kommen aus dem Reich der Pflanzen und aus dem Reich der Kleinstlebewesen. Der Mensch darf im Zuschauerraum Platz nehmen.

Das Erfolgsrezept der biologischen Evolution ist die Lebensgemeinschaft. Bakterien haben sich als einzellige Lebewesen Jahrmillionen erfolgreich behauptet. Sie haben ihre Überlebensstrategien immer wieder verändert und angepasst – Lernen ist ihr Programm. Bakterien kooperieren mit anderen Kleinstlebewesen und sie kooperieren mit höheren Organismen. Der erste und einzige Zweck dieser Strategie ist die Erhaltung ihrer Art. Im besten Fall profitieren alle Beteiligten davon. Alle überleben. Es gibt nur Sieger.

Der Mensch trägt eine Armee von Milliarden freundlich gesinnter Mikroorganismen mit sich herum. Sie bevölkern die Haut und die Schleimhäute, innen und außen. Jeder Millimeter Körperfläche ist besetzt. Ist das nicht der Fall, können aggressive Eindringlinge Fuß fassen und Infektionskrankheiten auslösen. Wir sollten dann alles dafür tun, dass unsere Verbündeten wieder zu gewohnter Stärke zurückfinden.

Moderne Antibiotika gelten als Meilenstein der Medizin. Wir müssen aber heute akzeptieren, dass ihr Leistungsvermögen maßlos überschätzt wurde. Die biologische Intelligenz der Mikroorganismen ist und bleibt unschlagbar. Somit war der vor 60 Jahren proklamierte „Krieg gegen die Keime“ von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Das Ergebnis ist eine Resistenzkatastrophe von globalem Format. Medizin und Wissenschaft haben darauf bislang keine Antworten gefunden.

Müssen wir uns damit abfinden, dass es bei lebensbedrohlichen Infektionen in manchen Fällen keine Hoffnung mehr auf Heilung durch Antibiotika geben wird?

Nicht unbedingt. Mit etwas Bescheidenheit blicken wir dorthin, wo alle modernen Antibiotika herkommen: ins Pflanzenreich. Pflanzen haben im Lauf ihrer Evolutionsgeschichte so manches Unheil durch abwehrresistente Angreifer erfolgreich gemeistert. Dieses Wissen können wir nutzen.

 

Tatsächlich sind pflanzliche Antibiotika eine Erfolg versprechende, natürliche Alternative zur Behandlung potenziell tödlicher Infektionen und die einzig verbliebene Antwort auf Infektionen durch antibiotikaresistente Keime. Das vorliegende Buch präsentiert die Geschichte der modernen Antibiotika und den aktuellen Stand der Resistenzproblematik. Es beschäftigt sich damit, wie clevere Mikroorganismen um ihr Überleben kämpfen und wie die Menschheit dazu beigetragen hat, dass ihnen dies gelingt. Einige wichtige Antibiotika-Kräuter werden monografisch und mit wissenschaftlichem Hintergrund vorgestellt. Zudem wird vor allem auf Behandlungsmöglichkeiten von Infektionen durch MRSA und resistente Mikroorganismen eingegangen. Ich stütze mich hier auch auf das Wissen und die Erfahrungen des amerikanischen Kräuterexperten Stephen H. Buhner, der sich mit der Anwendung alternativer Antibiotika seit Langem beschäftigt.

Angesichts Tausender Menschen hierzulande, die von der tödlichen Bedrohung durch antibiotikaresistente Infektionen betroffen sind, ist der Stellenwert pflanzlicher Antibiotika kaum zu überschätzen. Das sollten Sie wissen.

Dr. med. Eberhard J. Wormer


APOCALYPSE NOW

„Das Ende ist nah! Bereut! Tut Buße!“ Kaum ein Science-Fiction-Drama kommt ohne den bärtigen Propheten aus, der ein dermaßen beschriftetes Pappschild in die Höhe hält. Der anvisierte Weltuntergang vollzieht sich dann im konsumentenfreundlichen Kinoformat innerhalb von 90 Minuten. Und möglicherweise ist es einmal mehr Bruce Willis, der die Welt vor bösen Mächten rettet – als da sind: Profitgier, Eigennutz, Verblendung, Täuschung, Indoktrination, Narzissmus, Ignoranz, Arroganz, Machtstreben und Gewalt. Schaut man genauer hin, kommen in keinem Bereich der modernen Medizin solche destruktiven Faktoren klarer zum Vorschein als auf dem Gebiet der Antibiotika. Der viel beschworene „Krieg“ gegen Mikroorganismen war und ist ein aussichtsloses Unterfangen.

Er war und ist niemals zu gewinnen.

Die Resistenzentwicklung gegen Antibiotika beschleunigt sich und ist global unkontrollierbar geworden.

Die Kapitulation von Medizin und Wissenschaft angesichts der Macht der Keime fand bereits vor knapp 20 Jahren statt! Wir haben jeden Grund zur Besorgnis. Die Antibiotika-Ära ist längst beendet. Stattdessen müssen wir uns auf eine Zukunft einstellen, in der Antibiotika nur noch eine marginale Rolle spielen werden.

Durch Parasiten, Bakterien und Viren ausgelöste Epidemien oder Pandemien machen immer wieder und zunehmend häufiger Schlagzeilen. Ebola, H5N1, Malaria, MRSA-Keime und altbekannte Tuberkulosebazillen verursachen für Mensch und Tier tödliche Infektionen.

► „Acinetobacter baumannii in Kiel: Ein Keim zeigt, was Multiresistenz anrichten kann.“: 11 tote Klinikpatienten (medscape, Januar 2015)

► „Intensivstation nach Keimbefall geschlossen.“ (Privatklinik in München, SZ, Dezember 2014)

► „Segler befürchten Superbakterium vor Rio.“ (SZ, Dezember 2014), MRSA-Risiko bei den Olympischen Spiele 2016?

► „Gefährliches Vogelgrippevirus H5N8 nachgewiesen.“ (SZ, Dezember 2014)

► „Antibiotikaresistenzen verursachen allein im US-Gesundheitssystem geschätzte Kosten von 21 bis 34 Milliarden Dollar pro Jahr.“ (WHO, 2014)

► „Die jährliche Zahl der MRSA-Fälle in deutschen Krankenhäusern wird auf 132 000 geschätzt. Schätzungen zeigen, dass jährlich etwa 170 000 MRSA-Infektionen die europäischen Gesundheitssysteme mit mehr als 5 000 Todesfällen, mehr als einer Million zusätzlichen Hospitalisationstagen und Mehrkosten von circa 380 Millionen Euro belasten.“ (Deutsches Ärzteblatt, 2011)

► „Gérard Depardieus Sohn: Frankreich trauert um Guillaume Depardieu“: Tod nach MRSA-Infektion. (Der Spiegel, 2008)

► „Jährlich gibt es in Deutschland 800 000 Krankenhaus-Infektionen.“ (Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene, 2004)

Fragt man einmal im Bekanntenkreis gezielt nach Klinik- oder MRSA-Infektionen, erfährt man unter Umständen, dass bei einem Betroffenen aufgrund einer antibiotikaresistenten Infektion das Bein amputiert werden musste. Tatsächlich ist die Endzeitstimmung in Bezug auf Antibiotikaresistenz keine Übertreibung: Bereits im Jahr 1998 publizierte die renommierte Fachzeitschrift The Lancet einen Beitrag über Vancomycin-resistente Staphylokokken mit dem Titel „Apocalypse Now“.

Dass wir es mit einer globalen Bedrohung durchaus katastrophaler Dimension zu tun haben, verdeutlich der aktuelle WHO-Bericht Antimicrobial Resistance Global Report on Surveillance 2014: „Eine post-antibiotische Ära, in der harmlose Infektionen und kleine Verletzungen tödlich sind, ist alles andere als eine apokalyptische Fantasie – sie ist im Gegenteil ein sehr reales Szenario für das 21. Jahrhundert.“ Das deutsche Medizinportal DocCheck News kommentiert diesen WHO-Report mit dem Titel eines weiteren Katastrophenfilms: Antibiotikaresistenz: The Day After.

Kein Zweifel, seit 60 Jahren gelten Antibiotika als wichtige Heilmittel bei Infektionen – unabhängig davon, ob ihre Anwendung angemessen war, ob man sich im Krankenhaus oder „in freier Wildbahn“ infiziert hatte. Schon in seiner Nobelpreis-Rede 1945 warnte Alexander Fleming, der Entdecker von Penicillin, davor, dass sich Resistenzen gegen dieses bemerkenswerte Heilmittel entwickeln könnten. Tatsächlich wurde seither bei jedem weiteren Antibiotikum in relativ kurzer Zeit Resistenz nachgewiesen.


100 Jahre Antibiotika: Daten zur Entdeckung/Patentierung von Antibiotika. Seit 1987 wurde keine neue Antibiotika-Klasse mehr entwickelt!

Resistenz gehört zum normalen Evolutionsprozess von Mikroorganismen. Massenhafte, oft unsachgemäße Anwendung von Antibiotika bei Mensch und Tier erhöht die Wahrscheinlichkeit und beschleunigt die Entwicklung von Resistenzen – vor allem weil Präventions-, Hygiene- und Kontrollmaßnahmen missachtet werden.

Noch immer werden Antibiotika viel zu häufig verordnet. Sie werden zudem in unvorstellbarer Menge in der Fleischproduktion eingesetzt, sind mittlerweile Bestandteil der Nahrungskette und sogar im Trinkwasser vorhanden. Folglich wirken Antibiotika zunehmend schwächer oder sind komplett unwirksam. Vancomycin ist eines der letzten Reserveantibiotika bei multiresistenten Keimen.

Nach Ansicht der WHO haben wir es heute mit einer Notfallsituation in Bezug auf den globalen Gesundheitsstatus zu tun. Bis zu den 1970er-Jahren wurden zahlreiche neue Antibiotika entwickelt, die anfangs gegen die meisten pathogenen Keime wirksam waren. Die letzten neuen Antibiotika-Klassen wurden Mitte der 1980er-Jahre vorgestellt. Demnach haben wir derzeit eine nahezu leere „Pipeline“ für neue Antibiotika. Dies gilt vor allem für die Behandlung von gramnegativen Darm-/Enterobakterien. Die Erforschung von Ersatzantibiotika befindet sich noch in den Kinderschuhen. Demnach müssen wir bei gängigen Infektionen (Lungenentzündung, Harnwegsinfektionen u.a.), die Penicillin-resistent sind, mit Risiken und Komplikationen für Leib und Leben rechnen. Besonders gefährdet sind Neugeborene und intensivmedizinische Patienten, Krebspatienten und Organtransplantierte sowie ältere Menschen. Vorbeugend verordnete Antibiotika in der Chirurgie sind schwächer oder überhaupt nicht mehr wirksam.

Jedes Jahr sterben mindestens 25 000 Menschen in Europa an den Folgen antibiotikaresistenter Infektionen. Anlass genug, 2014 eine Konferenz in Oslo mit Teilnehmern aus 40 Ländern und der WHO abzuhalten, um über einen globalen Aktionsplan zum Antibiotika-Problem nachzudenken. Schon der WHO-Bericht hatte darauf hingewiesen, dass wir uns auf eine Post-Antibiotika-Ära zubewegen. Das Osloer Abschlussdokument listet 18 Empfehlungen für den Aktionsplan auf, der durch internationale Zusammenarbeit umgesetzt werden soll. Unter anderem werden strikte Vorgaben und Kontrollen für die Produktion, den Verkauf und Vertrieb von Antibiotika gefordert. Der Erfolg des Aktionsplans ist davon abhängig, ob es wirklich zu einer belastbaren internationalen und interdisziplinären Kooperation kommt. Dies ist zumindest fraglich.

Globale Antibiotikaresistenz: Status 2014

Der WHO-Bericht stellt den Resistenzstatus von neun infektiösen Mikroorganismen im Lebensalltag, in Kliniken und in der Nahrungskette vor. Er kommt zu folgenden Ergebnissen:

► Sehr hohe Resistenzraten bei Bakterien, die gängige Infektionen (Pneumonie, Harnwegsinfekte, Syphilis, Durchfallerkrankungen u.a.) betreffen, wurden in allen 129 WHO-Regionen beobachtet.

► In 36 Ländern sind Cephalosporine der dritten Generation als ultima ratio bei Gonorrhoe-Infektionen zunehmend schwächer wirksam.

► Der Resistenzstatus von Mitteln gegen Candida-Pilzinfektionen ist unbekannt. Resistenz gegen die neueste Antimykotika-Klasse ist bereits zu beobachten.

► Die Entwicklung multiresistenter Tuberkulosebakterien, der Artemisinin-resistenten Malaria und von Resistenzen gegen Anti-HIV-Mittel ist beunruhigend.

► Viele Befunde und Beobachtungen aus Studien sind lückenhaft.


Ein Beispiel für die weltweite Resistenzproblematik: Im Jahr 2010 ist in fast allen Industrie- und Schwellenländern eine erhöhte Unempfindlichkeit der Erreger von Tripper (Gonorrhoe, Neisseria gonorrhoeae) gegenüber Cephalosporinen der dritten Generation bzw. komplette Unwirksamkeit zu beobachten.

Gibt es noch Hoffnung für die Menschheit? Gibt es Lösungen für das Resistenzproblem? Ja, es gibt sie. Die erste Maßnahme wäre ein viel beschworener Umdenkungsprozess: Mikroorganismen, Bakterien und Viren sind keine „bösen Feinde“ des Menschen. Wir sollten aufhören, „Krieg“ gegen sie zu führen. Bakterien sind nützliche Mitbewohner des Menschen. Sie sollten unsere „Freunde“ sein. Durch massenhafte und kritiklose Anwendung von Antibiotika in der Medizin und in der Massentierhaltung haben wir selbst beste Bedingungen für die Resistenzentwicklung geschaffen. Antibiotika sind immer auch ein Angriff auf die Lebensgemeinschaft des Menschen mit seinen Mikroorganismen, die für seine Gesundheit und das Überleben gebraucht werden.

Alle modernen Antibiotika hemmen prinzipiell mit nur wenigen Stoffwechselmechanismen den Lebenszyklus der Mikroben. Demgegenüber haben Flora und Fauna in Jahrmillionen komplexe Abwehrmechanismen entwickelt, die es den Pflanzen mit einer Mixtur aus Hunderten von Abwehrstoffen erlauben, ihr Überleben zu sichern. Ein evolutionsbiologischer Vorteil, dem die Wissenschaft nur sehr wenig entgegenzusetzen hat. Es überrascht nicht, dass es pflanzliche Antibiotika gibt, die auch bei MRSA-Infektionen wirksam sind! Davon handelt dieses Buch.



KAMPF GEGEN KEIME

Die Entdeckung von Penicillin gilt – zu Recht – als große Errungenschaft der Medizin. Erstmals hatte man beobachtet, wie sich ein Mikroorganismus (ein Schimmelpilz) vor schädlichen Angreifern schützt – und daraus gefolgert, dass dies auch zur Behandlung von Infektionen beim Menschen nützlich sein könnte. Der Begriff Antibiotika kennzeichnet Stoffe, die Mikroorganismen töten können. Er wurde 1942 von dem amerikanischen Mikrobiologen Selman Waksman eingeführt. Antibiosis (Antibiotika) ist von den griechischen Worten anti (= gegen) und bios (= Leben) abgeleitet.

Bis zum 20. Jahrhundert beruhte die Behandlung von Infektionen auf traditionellen Heilmitteln. Belege für solche natürlichen, antibakteriell wirksamen Mittel finden sich in den Heilsystemen aller Weltkulturen seit mehr als 4 000 Jahren: im Ayurveda, in der chinesischen Medizin, in der antiken westlichen Medizin und bei zahllosen indigenen (lat. indiges = eingeboren) Bevölkerungen.

Im antiken Ägypten war Honig ein geschätztes Mittel bei Infektionen. Noch im Zweiten Weltkrieg behandelte man in Shanghai infizierte Hautwunden erfolgreich mit einer Salbe aus Honig und Schmalz. Weihrauch, Myrrhe, Zwiebeln und Knoblauch gehörten gleichfalls zu den traditionellen antibakteriell wirksamen Heilmitteln. Die antike griechische Medizin benutzte Wein und Essig als keimtötende Mittel bei infizierten Wunden. Darüber hinaus wurden dort wie auch in Indien bereits Schimmelpilze bei Infektionen therapeutisch eingesetzt.

 

Kugel- (Kokken, B, C, D, E), stäbchen- (F) und spiralförmige Mikroorganismen (G) im Zahnbelag von Antoni van Leeuwenhoek unter dem Mikroskop (1683).

Jahrhundertelang bediente man sich solcher Mittel, um infizierte Wunden zu behandeln. In früheren Zeiten konnte die kleinste Hautwunde tödlich sein. Fortschritte auf dem Gebiet der Mikrobiologie waren erst möglich, als Mikroskope zur Verfügung standen. Der niederländische Tuchhändler Antoni van Leeuwenhoek (1632–1723) begann ab 1660, als Autodidakt Mikroskope zu bauen. Er beschrieb erstmals Bakterien, die er mikroskopisch beobachtet hatte. Über die Bedeutung solcher Kleinstlebewesen (animalcula) war jedoch nichts bekannt. Ansteckende Infektionskrankheiten wurden noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts auf ein „kontagiöses Miasma“ (Ausdünstung) zurückgeführt.

Schimmelpilze

Dass Schimmelpilze antibiotisch wirken können, war lange vor der Entdeckung von Penicillin bekannt. Im antiken Griechenland und in Indien benutzte man Schimmelpilze und Pflanzen zur Behandlung von Infektionen. 1550 v. Chr. behauptete ein ägyptischer Arzt (Papyrus Ebers), dass eine „faulige Wunde … mit verdorbenem Gerstenbrot bedeckt werden solle“. In Serbien, Griechenland und Russland waren verschimmeltes Brot oder (sporenhaltige) warme Erde traditionelle Mittel zur Wundbehandlung. Feuchtes Brot, vermischt mit (sporenhaltigen) Spinnweben, galt im 16. Jahrhundert in Polen als probate Wundbehandlung. Spinnweben wurden auch von der indigenen Bevölkerung Nordamerikas und der bayerischen Landbevölkerung bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Wundauflage benutzt.

1871 beobachtete der englische Physiologe Sir John Scott Burdon Sanderson, dass Penicillium in Kulturflüssigkeit das Wachstum von Bakterien hemmt. Zur gleichen Zeit entdeckte Joseph Lister, ein englischer Chirurg und der Begründer der Antisepsis (Karbolsäure), dasselbe Phänomen bei mit Schimmelpilz kontaminiertem Urin. Der englische Arzt William Roberts stellte 1874 fest, dass eine bakterielle Verunreinigung generell fehlt, wenn die Kultur den Pilz Penicillium glaucum enthält. Der irische Forscher John Tyndall bestätigte diese Beobachtung ein Jahr später. Der französische Chemiker und Mikrobiologe Louis Pasteur (1822-1895) beobachtete 1877 eine Wachstumshemmung bei Anthrax-Bazillen, wenn die Kultur mit Schimmelpilz kontaminiert war.

Im Jahr 1897 reichte der französische Militärarzt Ernest Duchesne eine Doktorarbeit mit dem Titel Untersuchungen zum Überlebenskampf der Mikroorganismen: der Antagonismus von Schimmelpilzen und Mikroben ein. Die Arbeit wurde abgelehnt, doch seine Erkenntnisse wurden 50 Jahre später anerkannt. Er hatte bemerkt, dass arabische Stallknechte die Pferdesättel in einem dunklen feuchten Raum lagerten, um Schimmelpilzbildung anzuregen. Die Knechte erklärten, dass Scheuerwunden bei Pferden dadurch besser abheilen. Ein erster Versuch Duchesnes mit der Injektion einer Schimmelpilzlösung bei erkrankten Meerschweinchen war erfolgreich. Anschließend befasste er sich experimentell mit der Wechselwirkung von Escherichia coli und Penicillium glaucum. Es zeigte sich – lange vor der Entdeckung von Penicillin –, dass der Pilz in einer Kultur vorhandene Bakterien abtöten konnte.

Arsphenamin

Als erstes Antibiotikum der Medizingeschichte gilt eine Arsenverbindung (Arsphenamin), die unter dem besser bekannten Namen Salvarsan zur Behandlung der Syphilis 1910 in den Handel kam. Erstmals gab es nun ein gezielt antimikrobiell wirksames Medikament, das bei Spirochäteninfektionen (Syphilis, Frambösie, Rückfallfieber u.a.) erfolgreich war.

Der deutsche Arzt Paul Ehrlich (1854-1914) führte in großem Stil Arzneimittelforschung mit Labortests und Tierversuchen durch, bis er 1909 die gegen Syphilis-Spirochäten wirksame Substanz Bayer 606 gefunden hatte.

Salvarsan war sehr stark wirksam, hatte aber auch starke Nebenwirkungen. Bei intravenöser/-muskulärer Injektion konnte es zu Verätzungen kommen. Salvarsan verändert sich an der Luft sehr schnell zu einer giftigen Substanz. Aus diesem Grund wurde es in luftdichte Glasampullen abgefüllt. Später wurden besser verträgliche Derivate entwickelt. Salvarsan blieb lange Zeit das erste und einzige Antibiotikum. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts war Salvarsan kaum mehr in Gebrauch und wurde weitgehend durch moderne Antibiotika (z.B. Penicillin) ersetzt.

Penicillin

Es hatte vielleicht daran gelegen, dass Semesterferien waren und Professor Alexander Fleming (1881–1955) mehrere Wochen sein Labor im Londoner St. Mary’s Hospital zusperrte, um in Urlaub zu fahren. Bevor er abgereist war, hatte er mit Kulturen traubenförmig angeordneter Kugelbakterien (Staphylokokken) in flachen Glasschalen mit Nährlösung experimentiert. Am dritten September 1928 kehrte Fleming an seinen Arbeitsplatz zurück und entdeckte beiläufig eine im Brutschrank vergessene Petrischale – ohne Glasdeckel! Siehe da – fremde Keime hatten sich eingenistet: Schimmelpilz. Schon wollte er die unbrauchbare Kultur vernichten, als ihm auffiel, dass die Nährlösung rund um die Pilzflecken sauber war. Er entdeckte Zonen ohne Staphylokokken und identifizierte die Spezies Penicillium chrysogenum (notatum). Wahrscheinlich stammte der Keim aus dem Pilzlabor ein Stockwerk tiefer – der Professor arbeitete niemals bei offenem Fenster.

Da der Pilz einen unbekannten bakterienhemmenden Stoff enthalten musste, prüfte Fleming diese Wirkung mit einem gereinigten Pilzextrakt bei verschiedenen Bakterien, mit Erfolg.

Er taufte den Schimmelpilzsaft „Penicillin“ – die Zusammensetzung kannte er nicht. Als Nächstes untersuchte er die Verträglichkeit des Saftes im Tierversuch, ebenfalls mit Erfolg. Im Februar 1929 berichtete er über seine Entdeckung. Die veröffentlichten Ergebnisse blieben unbeachtet. Fleming verlor das Interesse am Penicillin und es geriet in Vergessenheit.

Bei der Erforschung von Lysozym, mit dem sich auch Fleming beschäftigt hatte, stießen der Pathologe Howard Florey und der deutsch-jüdische Chemiker Ernst Chain 1939 in Oxford auf Flemings obskure Mitteilung über die antibakterielle Wirkung seiner Schimmelpilzmixtur. Und schon 1941 wurde ein Patient mit einem Penicillin-Präparat geheilt.

Der Kriegseintritt der Alliierten bescherte dem Penicillin-Projekt dann strategische Bedeutung. Die Herstellung war schwierig, wurde aber in den USA technisch verbessert. Zunächst diente Mais-Einweichwasser als Kulturmedium, schließlich entdeckte man einen tausendfach stärker Penicillin produzierenden Pilz auf einer faulenden Melone. Verwundete alliierte Soldaten in Sizilien und Nordafrika profitierten vom ersten Antibiotikum. Alexander Fleming erlebte den späten Siegeszug seines Penicillins nur am Rande und wurde zusammen mit Florey und Chain 1945 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Er wurde geadelt und arbeitete weiter in seinem kleinen Labor am St. Mary’s Hospital. Das Zeitalter der Antibiotika hatte begonnen: Vormals lebensbedrohliche bakterielle Infektionen und Erkrankungen konnten nun rasch und ohne Komplikationen geheilt werden. In den weltweiten Jubelchor, der diesen Meilenstein der Medizin feierte, mischten sich schon früh warnende Töne. Alexander Fleming selbst mahnte in seiner Nobelpreis-Rede 1945, mit Penicillin sorgsam umzugehen. Später stellte er fest: „Wissen Sie, der Staphylococcus ist ein sehr cleverer Organismus. Egal, welches Antibiotikum wir finden, er wird dagegen resistent werden.“ Tatsächlich tauchten bereits vier Jahre vor der Marktzulassung von Penicillin resistente Staphylokokken auf!


Alexander Flemings Petrischale (1928): „Als ich sah, wie sich die Bakterien auflösten, hatte ich keine Ahnung, dass dies der Schlüssel zur wirksamsten, jemals entdeckten therapeutischen Substanz zur Bekämpfung bakterieller Infektionen im menschlichen Körper war.“

Methicillin

Bei aller Begeisterung über die gute antibakterielle Wirkung von Penicillin war man sich seit den 1950er-Jahren doch dessen bewusst, dass es Staphylokokken-Stämme gab, die gegen das Antibiotikum resistent waren. Deshalb achtete man vor allem in europäischen Kliniken darauf, dass infizierte Patienten durch strikte Hygiene und Isolierung nicht zum Infektionsherd für andere Patienten wurden.

Resistente Bakterien bilden ein Enzym (Penicillinase), das sie gegen das meist benutzte Penicillin G (Benzylpenicillin) unempfindlich macht. 1959 entwickelte die Firma Beecham erstmals ein Antibiotikum, das einen Betalactam-Ring besitzt, der schlechter durch Penicillinasen gespalten und inaktiviert werden kann. Das Mittel wurde Methicillin genannt. Somit hatte man nun ein Antibiotikum, das auch bei Penicillin-Resistenz eingesetzt werden konnte. In den 1960er-Jahren glaubten deshalb viele Mediziner (auch der Penicillin-Forscher Ernst Chain), das Ende für resistente Staphylokokken sei nun gekommen. Dies führte unter anderem dazu, dass man in den Kliniken Isolierstationen auflöste, die Antisepsis vernachlässigte und sich nicht mehr die Hände wusch – viele Klinikverwaltungen kürzten die Mittel für die Infektionskontrolle. Eine Fehleinschätzung, wie sich zeigen sollte. Bereits 1959 wurde der erste Staphylokokken-Stamm isoliert, der gegen Methicillin resistent war. Methicillinresistente Staphylokokken werden als MRSA bezeichnet (Methicillin-resistant Staphylococcus aureus). Da man davon ausgehen kann, dass solche Bakterienstämme auch gegenüber anderen Betalactam-Antibiotika sowie Antibiotika anderer Klassen resistent sind, kennzeichnet das Kürzel MRSA auch multiresistente Keime (Multidrug-resistant Staphylococcus aureus). Die letzte Hoffnung für MRSA-Infizierte sind dann sogenannte Reserveantibiotika wie Vancomycin oder Linezolid.


Anteil von MRSA-Isolaten (Methicillin-resistant Staphylococcus aureus) in den europäischen Teilnehmerstaaten 2013. Skandinavische Länder wie Norwegen, Finnland, Dänemark und Schweden schneiden besonders gut ab (unter fünf Prozent MRSA).

Grampositiv und gramnegativ

Der Eigenname Gram kennzeichnet eine Färbemethode, mit der Bakterien für die mikroskopische Untersuchung behandelt werden. Der dänische Bakteriologe Hans-Christian Gram (1853–1938) entwickelte dieses Verfahren zur Differenzierung von Bakterien. Entsprechend ihrer Zellwandstruktur können so zwei Gruppen von Bakterien unterschieden werden: grampositive und gramnegative Bakterien. Die Gramfärbung ist ein wichtiges Diagnoseinstrument für die Naturwissenschaft, Mikrobiologie und Infektiologie.


Schema der Zellwand von Bakterien: 1 grampositive Zellwand, 2 gramnegative Zellwand, 3 Mureinhülle (Peptidoglycan), 4 Plasmamembran, 5 Zytoplasma, 6 periplasmatischer Raum, 7 äußere Membran

Gramfärbung Nach Anfärbung der Bakterien mit einem basischen Farbstoff und durch Nachbehandlung mit Lugolscher Lösung wird ein Farbstoff-Iod-Komplex in den Bakterien gebildet. Dieser Farbkomplex ist nicht in Wasser, aber in Ethanol löslich. Aus gramnegativen Bakterien kann der Farbkomplex mit Ethanol entfernt werden. Dies funktioniert wegen der dickeren Zellwand nicht bei grampositiven Bakterien.

Grampositive Bakterien haben eine dicke, mehrschichtige Zellhülle (Mureinhülle), weshalb die Farblösung durch Alkohol nicht ausgewaschen wird. Da grampositive Bakterien nur eine einschichtige Zellwand haben, sind sie meist empfindlicher gegen Antibiotika, wehren sich aber mit sehr schnellen Efflux-Pumpen. Zu den grampositiven Bakterien gehören etwa Actino- und Streptomyces, Streptococcus, Enterococcus, Staphylococcus, Listeria, Bacillus, Clostridium und Lactobacillus.

Gramnegative Bakterien haben eine dünne einschichtige Mureinhülle mit einer zusätzlich aufgelagerten Lipidmembran, die durch Alkohol aufgelöst wird und zur Auswaschung der Farblösung führt. Zu den gramnegativen Bakterien gehören etwa Enterobakterien (Escherichia coli, Salmonella, Shigella, Klebsiella, Proteus, Enterobacter) sowie die Gattungen Pseudomonas, Legionella, Neisseria, Rickettsia und die Art Pasteurella multocida.

Methicillin wirkt nur gegen grampositive Keime (gramnegative Bakterien sind primär resistent) und wird nicht mehr therapeutisch eingesetzt. Stattdessen benutzt man Oxacillin, Dicloxacillin und Flucloxacillin, die injiziert und eingenommen werden können. Diese Antibiotika sind deutlich schwächer wirksam als Penicillin G und stimulieren zudem die Synthese von Betalactamasen (Penicillinasen), was die Mittel unwirksam machen kann.

Methicillin wird heute nur noch als Labormarker verwendet.

Das europäische Resistenz-Überwachungssystem (EARSS) beobachtet seit 1999 Resistenzentwicklungen in den Mitgliedsstaaten. Die gute Nachricht: Der Anteil der MRSA-Isolate ging im Durchschnitt von 45 Prozent (2004) auf knapp 25 Prozent (2013) zurück. Die schlechte Nachricht: Seit 2014 erhöht sich der Anteil wieder. Wir haben allen Grund zur Besorgnis.

Antibiotika-Ära

Nach Penicillin und Methicillin kam es in den 1970er- und 1980er-Jahren auf dem Gebiet der Antibiotika zu einer starken Forschungsaktivität. Heute sind etwa 8 000 antibiotische Substanzen bekannt. Davon werden nur 80 für therapeutische Zwecke eingesetzt. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (2005) sind 2 775 Antibiotikapräparate zugelassen. Ihr Marktanteil beträgt 13 Prozent unseres gesamten Arzneimittelverbrauchs. Antibiotika gehören zu den weltweit am häufigsten verordneten Medikamenten. Eine wirklich neue Klasse von Antibiotika ist nach 1985 nicht mehr gefunden worden. Die Antibiotika-Forschung stagniert seit einigen Jahrzehnten. Grundsätzlich sind antibiotische Wirkungen (wie wir sie heute kennen) von der Natur abgeschaut. Bestimmte Substanzen, etwa im Schimmelpilz, blockieren die Vermehrung von Bakterien (sie wirken bakteriostatisch) oder töten Bakterien durch Zerstörung ihrer Zellwand ab (sie wirken bakterizid).