Die römischen Kastelle in Württemberg.

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Die römischen Kastelle in Württemberg.
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Herausgeber

Erik Schreiber

Historisches Deutschland

Die römischen Kastelle

in Württemberg

Saphir im Stahl

e-book 075

Die römischen Kastelle in Württemberg

Erscheinungstermin: 01.08.2020

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Archiv Andromeda

Lektorat: Saphir im Stahl

Vertrieb: neobooks

Die

römischen Kastelle

in

Württemberg.

Von

Prof. Dr. Konrad Miller.

Stuttgart

J. Weise’s Königl. Hofbuchhandlung.

1892.

(Sonderabdruck der Mitteilungen des Vereins „Bauhütte“.)

Druck von Alfred Müller & Co., Stuttgart.

Die römischen Kastelle in Württemberg.

Vorbemerkung.

Verfasser hat im Dezember vorigen Jahres im Verein „Bauhütte“ einen Vortrag über obiges Thema gehalten, anschliessend an seinen gleichnamigen Aufsatz im Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift X, (1891) Nro. 101. Zur Erläuterung des Vortrags dienten die Pläne einiger Legionslager (besonders Bonn und Regensburg); ferner der Kastelle von der Saalburg, Wiesbaden, Niederbieber und Rückingen (diese sind zu finden in „Cohausen, Der römische Grenzwall“), sodann die Situationspläne der 19 in Württemberg bekannten Kastelle.

Dem Wunsche, diesen Vortrag in die Vereinszeitschrift aufzunehmen, bin ich, unter Beschränkung auf Württemberg, um so lieber entgegengekommen, als Redaktion und Verlag sich bereit erklärten, die sämtlichen Situationspläne wiederzugeben (was mit Ausnahme von zweien geschehen ist), und der Redakteur, Herr Werkmeister Karl Mayer, ausserdem seine zeichnerische Beihülfe anbot. Die hier gegebene Zusammenstellung dürfte gerade jetzt manchem willkommen sein, wo die für die nächsten Jahre in Aussicht stehenden, mit Reichsmitteln erfolgenden, ausgedehnten Nachgrabungen das Interesse weiter Kreise erregen, und in erster Linie die hier behandelten Plätze betreffen werden. Unsere Skizzen, auf Grund der Flurkarten sämtlich im gleichen Massstab angefertigt und auf 1/3 verkleinert (somit 1:7500), dürften ebensowohl zur Orientierung bezüglich der zu erwartenden Berichte, wie als Führer bei Aufsuchung dieser geschichtlich denkwürdigen Plätze dienlich sein. Sämtliche Clichés von Kastellen sind neuhergestellt, auch von denjenigen, wo schon solche zur Verfügung standen, weil sowohl auf den einheitlichen Massstab, als auch besonders darauf Wert gelegt wurde, die Kastelle in die Flurkarten „anzubinden.“ Die letzteren gewähren nicht nur den Vorteil leichterer Orientierung, sondern sie ermöglichen einen Einblick in die oft sehr interessanten Beziehungen der Kastellgrenzen zu der heutigen Gewanneinteilung. Bei zwei Kastellen, nämlich Walheim und Böckingen, wurde auf die Wiedergabe der Pläne vorerst verzichtet, weil die genaue Lage noch nicht hinreichend fixiert ist.

Für diejenigen Leser, welche an der Hand unserer Pläne einzelne Kastelle aufsuchen wollen, sei bemerkt, dass man nicht zu grosse Erwartungen bezüglich der Überreste hegen darf; gewöhnlich ist äusserlich weiter nichts zu sehen, als etwa Spuren der Wälle oder Gräben, bei einzelnen selbst von diesen nichts mehr. Man findet jedoch an all diesen Plätzen auf den Feldern noch Spuren von Mörtel, römischen Ziegeln und Topfscherben, insbesondere auch jene charakteristischen roten Siegelerdescherben, und man wird mit Hilfe der Skizzen noch manche Fingerzeige bezüglich der allgemeinen Lage der Strassen, Thore, Thüren u. a. herausfinden.

Obwohl schon seit Langem von Chronisten, Geschichtsschreibern, Altertumsforschern viel über römische Kastelle in unserem Lande geschrieben worden ist, kannte man doch

bis in die jüngste Zeit nur von wenigen die wirklichen Überreste. Bis vor kurzem herrschte allgemein die Anschauung, dass römische Kastelle über das ganze Land, soweit die Römerherrschaft reichte, verbreitet seien. Zahllose mittelalterliche Burgen liess man über ehemaligen römischen Kastellen erbaut sein, während in Wirklichkeit auch nicht eine einzige derselben auf einem solchen liegt. Die mittelalterliche Burganlage ist von der römischen Art der Befestigung so wesentlich verschieden, dass letztere nicht als Grundlage für erstere brauchbar war. Der mittelalterliche Burgherr suchte die von Natur festesten Plätze auf, welche mit wenigen Mannen verteidigt werden konnten. Die römischen Kastelle dagegen sind für einen grösseren oder kleineren Truppenkörper berechnet, dessen Stärke nur bei der Möglichkeit freier Bewegung entfaltet werden konnte, und da wir die einfachen Erdschanzen (sog, passagere Anlagen) von unserer Betrachtung ausschliessen, sind es befestigte Garnisonsplätze permanenter Anlage. Die Ritterburg hat nur einen einzigen Zugang, das Kastell hat wo möglich auf allen vier Seiten Thore. Die Kastelle lieben massige Höhe, sanft ansteigendes Terrain, leichte Zugänglichkeit. Sie erfordern eine grosse Fläche, welche sogar bei den kleineren selten unter 2 ha beträgt. Daraus wird man leicht erkennen, wie viele der in der Litteratur angegebenen Kastelle zu streichen sind.

Dazu kommt aber, dass die Römer ihre Kastelle nicht planlos im Innern des Landes, sondern mit weiser Auswahl nur an strategisch wichtigen Plätzen zum Zweck der Verteidigung der Reichsgrenzen angelegt haben. Wir sehen dabei wie gesagt ab von den in Feldzügen für kurze Dauer hergestellten mauerlosen Verschanzungen, Feldbefestigungen, Marschlagern u. dgl.; wir reden vielmehr hier von den bleibenden Werken, welche nicht nur mit Wall und Graben, sondern mit starken Mauern und einer grossem Anzahl von Türmen versehen sind. Die Umfassungsmauer hat eine Minimalstärke von 1,2 m, oft aber ist sie bis über 2 m dick. Türme sind wenigstens an den Thoren und Ecken angebracht.

Ebenso freigebig, wie mit Kastellen, sind die älteren Forscher mit römischen Wacht- und Signaltürmen gewesen. Weit entfernt in Abrede stellen zu wollen, dass die Römer ein ausgedehntes System von solchen gehabt haben, darf doch hier nicht verschwiegen werden, dass ausser am Grenzwall bis jetzt kein einziger Wacht- oder Signalturm in unserem Lande sicher als solcher nachgewiesen ist. Die Forschung wie die Vermutung hat also hier noch ein weites Feld. Doch bleibt zu beherzigen, dass Wachttürme nur einen Sinn haben in der Nähe von Kastellen, und dass Signaltürme ebenfalls nicht ohne Beziehung zu den Kastellen gedacht werden können. Weitaus in den meisten Fällen, in welchen von römischen Warttürmen u. dgl. die Rede ist und es sich überhaupt nicht um eine blosse Vermutung handelt, haben wir es mit bürgerlichen Niederlassungen der Römer zu thun.

Das römische Militär war mit ganz geringen Ausnahmen nur in den Grenzprovinzen stationiert. In diesen treffen wir kleinere Kastelle mit einer gewissen Regelmässigkeit an der Grenze selbst verteilt, die wenigen grossen Lager (Zentralplätze) aber weiter zurückliegend, und ausserdem bei grösserer Entfernung der ersteren einzelne Zwischenkastelle. Da die römische Reichsgrenze bei uns nicht während der ganzen Zeit dieselbe geblieben ist, so lässt sich erwarten, dass in Württemberg mehrere Gruppen von Grenzkastellen sich finden werden. Thatsächlich gehören die bis jetzt bekannten Kastelle unseres Landes drei verschiedenen Perioden an, nämlich eines dem 1. Jahrhundert (Rottweil), eines dem Ende des 3. Jahrhundert (Isny), alle anderen dem 2. Jahrhundert.

Rottweil nimmt unter den römischen Kastellen unseres Landes eine einzigartige Stellung ein , sofern es die Bedeutung eines Centralplatzes hatte.

Isny gehört zu der Gruppe der jüngsten römischen Grenzkastelle, in eine Linie mit Arbon, Bregenz, Kempten u. s. w.

Die Verteilung der 17 weiteren Kastelle, welche wir nach unserem gegenwärtigen Wissen als sicher annehmen können, zeigt die nebenstehende Skizze.

Zehn dieser Kastelle sind Grenzkastelle: Jagsthausen, Oehringen, Mainhardt, Murrhardt und Welzheim gehören der Grenze der obergermanischen Provinz an; Schierenhof, Unterböbingen, Aalen, Buch und Haiheim liegen an der rätischen Grenze. Hinter diesen Grenzka.stellen liegen die Kastelle „in 2. Linie“; hinter der überrheinischen Grenze folgen, genau mit den 5 ersten Grenzkastellen korrespondierend, die Neckarkastelle Neckarmühlbach (badisch), Böckingen, Walheim, Benningen und Cannstatt, sodann neckaraufwärts noch Köngen und Rottenburg. Hinter der rätischen Grenze kennen wir bis jetzt das einzige Kastell von Urspring auf württembergischem Boden, bayerischerseits kennt man noch das von Faimingen. Die Grenzkastelle sind je 8 — 10 römische Meilen (12 — 15 Kil.) gleich einem halben Tagemarsch von einander entfernt; die 6 Kastelle „in 2. Linie“ zeigen am Neckar von Untermühlbach bis Cannstatt dieselbe Entfernung, während sie von den entsprechenden Grenzkastellen doppelt so weit, somit einen ganzen Tagemarsch entfernt sind. Durch Funde von Inschriften und Ziegelstempeln ergab sich, dass die Neckarkastelle je mit dem entsprechenden Grenzkastell gleiche Besatzung hatten.

1. Das Kastell von Rottweil.

Unter allen Kastellen Württembergs steht obenan dasjenige von Rottweil, weitaus das grösste auf deutschem Boden diesseits des Rheins. Wie Windisch, Strassburg, Mainz, Bonn und Köln jenseits des Rheins und Regensburg a/D., so war Rottweil ein Legionslager. Dasselbe wurde wahrscheinlich im Jahre 84 von dem Kaiser Domitian aus dem Hause der Flavier als Standquartier für die XI. Legion und deren Hülfstruppen, somit im ganzen für 10 — 12000 Mann errichtet und seine Besetzung dauerte nur bis etwa zum Jahr 120 n. Chr., wo die Reichsgrenze über den Neckar vorgeschoben und der Grenzwall durch Hadrian mit Kastellen versehen wurde. Um diese Zeit wurde die überflüssig gewordene XI. Legion an die untere Donau wegverlegt und die militärische Bedeutung Rottweils war geschwunden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet man, dass hier Domitian seinem Vater und Bruder oder auch sich selbst zu Ehren die „Flavischen Altäre“ errichtet und den Ort darnach benannt habe: Arae Flaviae.

 

Das Kastell liegt, wie unsere Skizze zeigt, auf der grossen Hochfläche in dem Winkel, den der knieförmig gebogene Neckar begrenzt, zwischen der heutigen Stadt und der Altstadt, südlich vom Bahnhofe. Man findet auf dem Bilde ohne Schwierigkeit die von Wall und Graben umschlossene Fläche heraus, welche sanft nach SW ansteigend in der östlichen Hälfte vom Neckar bespült, in der Mitte von natürlichen Einschnitten begrenzt, und nur auf der westlichen Seite nicht von Natur geschützt war. Heute noch, nach 1800 Jahren, steht Wall und Graben auf grosse Strecken vortrefflich erhalten, auf noch grösseren aber ist er allerdings zerstört. Von römischen Mauern ist äusserlich nichts mehr zu sehen, ja man hat sogar die Existenz von solchen in Abrede gezogen, bis am 19. April 1888 der Spaten sie wieder blosslegte. Eine Wallmauer konnte nur auf der Nordseite gegenüber dem Bahnhof in den letzten Grundresten noch nachgewiesen werden; sie war natürlich der Zerstörung und Benützung als Steinfundgrube zuerst ausgesetzt. Auch die übrigen Fundamente, welche erhalten sind, liegen verhältnismässig tief. Der umwallte Platz hat eine Länge von 820 und eine Breite von durchschnittlich 400 m und misst über 30 ha. Auf der Ostseite ist eine vom oberen Wall anfangs 5, dann SO und südlich sogar 80 m zurückliegende 1,4 — 2 m starke Mauer mit Türmen und Thoren aufgefunden worden. Man findet leicht auf unserer Skizze die vermutliche Kastellmauer, welche nur im nördlichen Drittel dem Walle folgt, in den übrigen Teilen aber soweit hinter dem Walle zurückbleibt, dass etwa ein Raum von 20 ha als eigentliches Legionslager übrigbleibt. Auch im Innern des Kastelles sind, besonders den beiden Hauptquerstrassen entlang, verschiedene starke Mauern aufgefunden, über deren Bedeutung sich jedoch zur Stunde so wenig etwas Bestimmtes sagen lässt, als über die Verteilung der einzelnen Räume im Innern. Doch haben die Grabungen des Rottweiler Altertumsvereins unter Prof. Hölders Leitung immerhin schon namhafte Erfolge erzielt, insbesondere durch Auffindung der wichtigsten Thore. Da das Kastell durchaus den natürlichen Verhältnissen angepasst ist, so hat es nicht die regelmässige rechteckige Form, welche die meisten römischen Kastelle charakterisiert. Sicher ist, dass das Lager durch die beiden schon äusserlich kennbaren Querstrassen, die via principalis und die nur bei grossem Lagern vorhandene via quintana, in 3 Abteilungen zerfällt, nämlich nördlich von der principalis die praetentura, zwischen der via principalis und der quintana die latera praetorii und südlich von der via quintana die retentura.

Die via praetoria ist äusserlich nicht erkennbar; sie führt von der Ostecke des israelitischen Friedhofs in die Einsenkung, welche dem nördlichen oder Prätorialthor entspricht; ihre Fortsetzung wurde beim Bau des Güterbahnhofs in einer Furt über den Neckar gefunden. Die via principalis existiert noch als sogenannter Lumpenmühleweg; die Fortsetzung derselben ist westlich gegen die Stadt im „Ruhe-Christiweg‘‘, östlich gegen die Altstadt zu finden. Die via quintana, „Heerstrasse“ der Flurkarte, führt westlich in gerader Linie zur „Scheerers Kapelle“, wo die Gabelung nach Dunningen und nach Horgen eintritt; östlich findet wie es scheint noch innerhalb des Lagers eine Gabelung statt, indem ein Strang wohl nordöstlich in eine von der Mittelstadt gegen die Altstadt führende Strasse einmündet, der andere aber sich südlich dem zum Südthor führenden Hohlweg zuwendet, wie das von Hölder aufgefundene, von 2 Türmen flankierte Thor zeigt.

Durch diese Strassen sind auch die wichtigsten Thore gegeben. Die nördliche porta praetoria scheint grösstenteils zerstört zu sein; die principalis dextra ist gefunden am Ende des von Osten herführenden Hohlweges, bis jetzt ohne Türme, die principalis sinistra nördlich vom Friedhof scheint wie die ganze Westseite schlecht erhalten zu sein. Von der quintana sind Spuren des linken Thores gefunden; dem rechtsseitigen Ende dieser Strasse scheinen 2 Thore zu entsprechen, wovon, wie gesagt, das südliche mit 2 Türmen gefunden ist. In der „hinter dem Wall“ (auf der Flurkarte offenbar falsch ,,Wald") bezeichneten Flur sollte normalerweise die porta decumana gesucht werden; bei der völligen Anpassung an die natürlichen Verhältnisse kann es jedoch nicht verwundern, dass dieses Thor mit Türmen in der Südostecke des Kastells, am Südende des Hohlwegs, bei der Pflugwirtschaft gefunden worden ist.

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