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Inselwelt. Erster Band. Indische Skizzen

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5

Die Leute, die aus dem freundlichen Gesicht des Alten neuen Muth schöpften, erwiderten den Gruß rasch, und dieser fuhr, den Kopf dabei langsam auf und ab neigend, einer in Bewegung gesetzten Pagoge nicht ganz unähnlich, fort:

„Ich habe euch rufen lassen, Freunde, um mit euch ein ernstes Wort über euch und eure Zukunft zu sprechen. Du da vorn, wie heißest du gleich? – verstehst ja wohl unsere Sprache genug, den Anderen wieder zu erzählen, was ich dir gesagt habe?“

„Mac Kringo heiße ich,“ erwiderte der also angeredete Schotte, indem er den Kopf etwas neigte. „Rede nur, Toanonga; ich verstehe Alles, und es soll kein Wort davon verloren gehen.“

„Gut, Freund – desto besser. So passe wohl auf, denn es kommt für euch viel darauf an, daß du auch eben recht verstehest.“

„Du weißt, unter welchen Umständen wir euch auf diese Insel zurückbekommen haben. Es war nicht unser Wunsch, und wir hätten euch lieber in eurem großen Canoe fortsegeln sehen. Du weißt auch, daß ihr oder euer Capitain – das bleibt sich gleich, denn ihr gehörtet zusammen und standet einander bei – mir hier, der ich euch alle freundlich aufgenommen, ein großes Leid anthun wolltet. Das war eure Dankbarkeit, ich will euch das aber nicht so übel nehmen, denn ihr Papalangis wißt es vielleicht nicht besser, und wenn ihr erst einmal eine Zeit lang zwischen uns gelebt habt, werdet ihr schon gescheidtere und bessere Menschen werden. Trotzdem nun hat der wackere und tapfere Tai manavachi, während er eurem bösen Capitain mitten im Sturm seine Braut wieder abnahm, euch, seine Feinde, die ihr verunglückt waret, aus dem Meer gerettet und ans Land gebracht, und euch auch weiter nicht das geringste Leid zugefügt. Er hatte eurem Capitain versprochen, euch ungestraft ziehen zu lassen, wenn er Hua, die damals noch in eurem Canoe war, kein Leid zufügen wollte, und da euer Capitain sie darauf frei ließ, glaubte er auch an euch sein Wort halten zu müssen. – Tai manavachi ist ein großer und edler Häuptling, und sein gegebenes Wort war heilig. Die Hotuas hatten es gehört, und er wußte, daß er es nicht brechen durfte. So – sag' jetzt deinen Freunden erst einmal, was ich mit dir gesprochen.“

Mac folgte dem Befehl und übersetzte den Übrigen die kurze und einfache Rede. Die Matrosen hörten ihm aufmerksam zu, bis ihn Legs endlich unterbrach und ausrief:

„Schon gut, schon gut, das ist eine alte Geschichte, und das Meiste davon wissen wir schon. Er soll uns ein frisches Garn spinnen. Hol' der Böse die Saalbadereien!“

„Nur Geduld, Mate!“ rief aber auch Jonas; „wenn einer ein Schiff vom Stapel lassen will, muß er erst sehen, ob Alles dicht und in Ordnung ist. Er hat jetzt die Geschichte kalfatert und Masten eingesetzt und Takelwerk angeschlagen. Paß einmal auf, jetzt wird er die Segel setzen und 14 Knoten die Stunde gehen.“

„Haben sie Alles verstanden,“ fragte Toanonga.

„Alles,“ sagte der Schotte, der klug genug war, den Alten so viel als möglich bei guter Laune zu erhalten, „und sie bitten dich fortzufahren.“

„Schön,“ erwiderte der alte Häuptling, zufrieden dabei mit dem Kopfe nickend: „Ich muß dir nun sagen, daß ich im Anfang gar keine Lust hatte, euch hier auf der Insel zu behalten. Ihr waret Kriegsgefangene von Tai manavachi und ich wollte, er sollte euch mit hinüber nach Tonga nehmen. Tai manavachi hat aber ein großes Herz. Er sagte, daß seine jungen Leute sehr zornig auf euch wären, und er nicht wisse, ob er dann sein Wort halten könne: euch kein Leid zuzufügen. Überdies könnte er euch auch nicht gebrauchen und wolle nichts mehr mit euch zu thun haben.“

Sehr freundlich von Tai manavachi, dachte Mac Kringo, erwiderte aber laut kein Wort und verzog keine Miene, und der Alte fuhr nach kurzer Pause fort:

„Da ihm aber nach unseren Gesetzen nun das Recht über euch zusteht, so haben wir, die Egis des Landes, uns die Sache überlegt, euch ihm abgekauft und beschlossen, euch hier auf Monui zu behalten.“

„Abgekauft?“ rief Mac Kringo erstaunt.

„Ja, Freund,“ sagte der Alte, ganz unbefangen und freundlich dabei lächelnd, „abgekauft. Nicht etwa, denn ich wüßte nicht, was ich mit euch anfangen sollte, sondern die Egis, und zu welchem Zwecke, will ich dir gleich auseinandersetzen, wenn du den Übrigen erst meine Worte erklärt hast.“

Mac Kringo that das diesmal schnell genug, denn die Nachricht hatte ihn selber überrascht, Legs aber rief lachend aus:

„Da hätte ich den Alten für gescheidter gehalten. Wer uns kauft, ist bös angeführt, denn ich will verdammt sein, wenn ich selbst mein eigener Herr sein möchte.“

„Und was wollen sie da mit uns machen?“ fragte Spund erschreckt; „da sollen wir wohl arbeiten?“

„Bah!“ lachte Jonas; „die Arbeit, die die faulen Burschen hier zu verrichten haben, könnte man recht gut vor dem Frühstück fertig bringen, ehe der Kaffee kalt wird; – Lumpenvolk das, einen weißen Christenmenschen zu kaufen! Aber so viel weiß ich, daß ich mich schon dumm genug anstellen werde.“

„Und dazu brauchst du dich auch gar nicht zu verstellen,“ brummte Lemon. „So viel ist aber sicher, und Legs hat Recht, ich hätte die Rothhäute auch für gescheidter gehalten, als daß sie Kerle wie Spund und Pfeife kauften.“

„Na, sei du nur –“

„Ruhig!“ unterbrach aber Mac Kringo die Kameraden; „ist das jetzt eine Zeit zum Necken? Hört erst, was der Alte weiter zu sagen hat, nachher können wir darüber reden.“

„Was sagen sie?“ fragte Toanonga.

„Sie lassen dich nur bitten, fortzufahren,“ erwiderte Mac Kringo.

„Gut, sehr gut,“ nickte der Alte wieder, während jetzt besonders die Frauen unter den Zuhörern sich vordrängten, als ob sie kein Wort von dem verlieren wollten, was da verhandelt würde. „Die Egis haben euch also, wie ich dir schon vorher erzählt, gekauft, und eigentlich blieb ihm nichts Anderes übrig; denn was sollten wir mit euch machen? ihr habt keinen Tabak, keine Glasperlen, keine Beile, kein Zeug, für das wir euch zu einer weiten Seefahrt ausrüsten könnten, und ihr werdet doch wohl einsehen, daß wir euch das nicht auch noch obendrein schenken können, weil ihr eines Egi Tochter habt entführen wollen und dabei verunglückt seid.“

„Aber wir können uns vielleicht selber ein Boot bauen oder ein Canoe aushauen,“ unterbrach ihn jetzt Mac Kringo, dem der Gedanke nicht recht behagen wollte, den rothen Gesellen käuflich überlassen zu sein.

„Womit?“ fragte ihn aber ganz trocken der Alte. „Habt ihr selber Beile? Habt ihr Segel und Ruder? Habt ihr Proviant? Nein, Freund; wir haben schon Schaden genug durch euch gelitten und wollen jetzt auch einigen Nutzen aus euch ziehen.“

„Aber was sollen wir thun?“ fragte der Schotte ungeduldig.

„Das wirst du gleich hören,“ lautete die ruhige Antwort des Alten. „Die Egis haben euch allerdings gekauft, aber mit Gütern, die dem Lande selber gehören, deshalb können sie auch nicht und wollen sie nicht eure Dienste für sich in Anspruch nehmen. Krieg haben wir jetzt nicht; wir leben mit allen benachbarten Inseln in Frieden, und Tai manavachi ist unser mächtiger Bundesgenosse geworden. Wäre das nicht der Fall, so würden wir euch vielleicht in unseren Canoes verwenden können, deren Behandlung ihr bald lernen würdet. Überhaupt seid ihr Weißen entsetzlich unwissende Menschen, für die es ein großes Glück ist, daß sie nach unserer Insel gekommen sind – ihr könnt nicht einmal Fische fangen. Doch das alles werdet ihr wohl nach und nach begreifen, wenn ihr erst einmal selber für euch und die Euren sorgen müßt.“

„Wenn wir das aber alles nicht können und verstehen,“ brummte Mac Kringo, „was wollt ihr denn mit uns machen?“

„Du bist entsetzlich ungeduldig,“ sagte Toanonga, „ich war ja eben im Begriff, dir das zu erklären. Vor allen Dingen wollte ich dir nur erst begreiflich machen, daß wir uns den Kopf zerbrochen haben, euch eine ordentliche Stellung hier anzuweisen, und ich selber habe da endlich einen Vorschlag gemacht, dem die anderen Egis nach reiflicher Überlegung beigepflichtet sind. Unser Entschluß deshalb ist der folgende: Auf Monui leben, seit unsrem letzten Krieg im vorigen Jahre, einige Frauen ohne Männer. Diese haben also auch niemanden mehr, der für sie sorgt, und mußten deshalb von den Egis oder vielmehr von dem Lande selber erhalten werden. Unter unsern Einwohnern hat sich aber bis jetzt noch niemand gefunden, der sie wieder heirathen wollte; der Männer sind auch durch die vielen Kriege weniger geworden, und diese Frauen begannen für uns eine Last zu werden.“

Mac Kringo hatte die Einleitung in immer wachsendem Staunen zugehört, denn er begriff gar nicht, was ihre Verhältnisse mit dem der Wittwen auf Monui zu thun haben könnten. Eben so wußte er recht gut, daß in diesem gesegneten Lande niemand dem Andern zur Last sein konnte, denn wo die Leute eben so genügsam von Brotfrucht und Wasser oder Cocosnüssen lebten und von allem diesem übrig genug für sämmtliche Bewohner war, konnte auch von keinem Nahrungsmangel die Rede sein. Er schüttelte deshalb ungläubig mit dem Kopf und sagte:

„Hatten sie denn keine Brotfrucht, die sie essen, keine Fische, die sie fangen konnten?“

„Du verstehst mich nicht,“ erwiderte ruhig Toanonga. „Zu essen haben sie allerdings genug, Dank den Hotuas27, die unsere Inseln mit Allem reichlich gesegnet haben. Frauen verlangen aber nicht bloß zu essen, sie müssen auch einen Beschützer haben, denn sie fürchten sich, allein in ihren Hütten zu wohnen. Wir haben ihnen deshalb bis jetzt ein großes Haus eingeräumt, in dem sie zusammen leben konnten, aber sie wollten sich dort nicht mit einander vertragen. Sie haben sich gezankt und Streitigkeiten unter einander angefangen, die dann von den Egis wieder geschlichtet werden mußten, und es ist kein Friede zwischen ihnen geworden.“

 

„Segne meine Seele,“ knurrte Lemon, „das ist ein langer Palaver, und mir schlafen die Beine schon ein. Was sagt er, Lord Douglas?“

„Pst – warte nur noch einen Augenblick,“ beschwichtigte ihn der Schotte, der zu begreifen begann, was man von ihnen verlange, und ein heimliches Lachen kaum unterdrücken konnte.

„Damit das anders werde,“ fuhr Toanonga langsam und bedächtig fort, „haben wir euch ausersehen, und eurem Schutz sollen diese Frauen übergeben werden.“

Mac Kringo glaubte noch immer, der Alte wollte sich einen Spaß mit ihnen machen; dazu aber sah er doch viel zu ernsthaft aus, und er fragte jetzt, immer noch seinen Ohren nicht recht trauend –

„Wir?“

„Ja, Ihr,“ erwiderte Toanonga, gravitätisch mit dem Kopfe nickend. „Ihr sollt sie heirathen, dann zieht ihr Jeder wieder in ein besonderes Haus, und der ewige Scandal hört einmal auf. Es ziemt sich auch nicht, daß die Frauen die Felder bestellen, gumala und ufi28 darin zu ziehen. Das ist des Mannes Sache, und ihr werdet das fortan übernehmen. Du weißt jetzt unseren Willen und wirst ihn deinen Freunden mittheilen. Hast du mich verstanden?“

„Gewiß,“ rief Mac Kringo rasch, und mußte an sich halten, daß er nicht gerade hinaus lachte, denn die Sache kam ihm doch zu komisch vor.

„Was will er?“ fragte aber jetzt auch Spund, der sich vor Neugierde kaum lassen konnte.

„Nun, Messmates,“ redete da Mac Kringo die Kameraden an, indem er sich gegen sie wandte und so ernsthaft wie nur irgend möglich dabei auszusehen versuchte, „jetzt ist die Bombe endlich geplatzt, und so viel kann ich euch vor der Hand sagen: gehängt werden wir nicht.“

„Aber was ist's? – was will das alte dicke Rothfell? – wozu haben sie uns gekauft?“ fragten die Übrigen durch einander.

„Ja, es ist freilich was Erschreckliches,“ schmunzelte Mac Kringo, indem er die ziemlich abgerissene Schaar vor sich überblickte, „und wenn man euch hier nach einander ansieht, sollte man eigentlich kaum glauben, daß ihr recht dazu passen würdet.“

„Na, zum Teufel, Lord Douglas,“ rief jetzt aber auch Jonas, den bei der langen Vorbereitung schon ganz unheimlich zu Muthe wurde – „so schieß einmal los! Was sollen wir denn thun?“

„Wir sollen heirathen,“ antwortete Mac Kringo mit einem so ernsthaften Gesicht, als ihm das irgend möglich war; die fünf Seelen brachen aber in ein schallendes Gelächter aus, das, merkwürdiger Weise, auch die als Zuschauer umherkauernden Indianer anstecken mußte. Was sich wenigstens an jungen Männern dort hinzugedrängt, stimmte plötzlich aus vollem Herzen in das Lachen mit ein, und die bis zu diesem Augenblicke noch so ernste Rathsversammlung schien in diesem Ausbruch unerwarteter Fröhlichkeit ihren ganzen Respect zu verlieren.

Da hob Toanonga den Arm empor, und während die Insulaner augenblicklich schwiegen, fühlten selbst die Seeleute, daß sie den alten Häuptling, in dessen Gewalt sie sich doch nun einmal befanden, nicht ärgerlich machen durften.

„Hast du deinen Freunden gesagt, was ich dir mitgetheilt?“ fragte der Alte – „und weshalb lachen sie?“

„Sie freuen sich, daß du so gnädig mit ihnen verfahren willst,“ erwiderte Mac Kringo, rasch gefaßt. „Es gefällt ihnen hier auf der Insel, und sie wollen gern bei euch bleiben. Die Hauptsache freilich, daß du uns jetzt die Frauen zeigest, die wir nehmen sollen, damit wir unsere Wahl treffen.“

„Es ist gut – das hat noch Zeit,“ erwiderte der Häuptling. „Vor allen Dingen möchte ich erfahren, wer ihr eigentlich selber seid.“

„Wir?“ sagte Mac Kringo erstaunt – „nun, Seeleute.“

„Ja – das weiß ich,“ erwiderte Toanonga, „denn ihr seid alle auf dem großen Canoe gekommen. Aber ich weiß auch, daß ihr auf euren Canoes verschiedene Beschäftigungen habt. Euer Capitain hat mir erzählt, daß es Unterhäuptlinge darauf gibt, dann aber auch Leute, die das Holz bearbeiten und Boote machen, solche, die große Fässer arbeiten, solche, die Eisen hämmern, solche, die mit Tauen und Segeln umzugehen wissen, und so weiter; Was seid ihr also? Was bist du gewesen?“

„Ich?“ erwiderte Mac Kringo, der recht gut einsah, daß er sich hier in den Augen der Eingeborenen, ohne daß seine Kameraden das Geringste davon zu erfahren brauchten, einen höheren Rang und dadurch mehr Ansehen geben konnte. „Ich war ein Unterhäuptling.“

„Das habe ich mir gedacht,“ sagte Toanonga, „und die Anderen?“

„Hm,“ brummte der Schotte, „das mögen sie dir lieber selber sagen,“ und sich dann zu den Kameraden wendend, übersetzte er ihnen rasch, daß der Alte ihren Stand am Bord zu wissen wünsche.

„Nun, ich bin Böttcher!“ rief Spund.

„Allerdings,“ nickte Mac Kringo – „der hier, Toanonga, ist der Mann, der die großen Fässer macht.“

„Gut – sehr gut!“ rief der Häuptling, „er mag deren hier für uns machen, Cocosnußöl hinein zu thun – und weiter?“

„Du, Jonas, hast dem Zimmermann ja manchmal geholfen,“ redete diesen der Schotte an. „Soll ich dich als Zimmermann aufführen? die Rothhäute haben nachher mehr Respect.“

„Meinetwegen,“ antwortete Jonas, „viel zu zimmern werde ich hier doch nicht bekommen.“

„Und dies, Toanonga,“ sagte der Schotte, „ist der Mann, der das Holz behaut.“

„Sehr gut! Laß die Zwei bei Seite sitzen.“

„Nun, Lemon,“ wandte sich der Schotte jetzt an diesen, „soll ich dich als Schmied vorstellen?“

„Schmied,“ brummte der Matrose, „ich habe in meinem Leben keinen Hammer in der Hand gehabt.“

„Was thut das,“ lachte Mac Kringo, „du wirst auch hier weder Hammer noch Amboß finden, um dadurch in Verlegenheit zu kommen.“

„Dann meinetwegen,“ sagte Lemon, „so lange sie kein Handwerkszeug haben, will ich wohl ihr Schmied sein, wenn sie dann nur Frieden geben.“

Toanonga wurde jetzt also auch mit dieser neuen Eigenschaft bekannt gemacht, schien sich aber über eine solche Entdeckung noch mehr zu freuen, als über die anderen Handwerker. Er machte sogar Miene, von seinem Sitze aufzustehen, besann sich aber doch noch in Zeiten, daß sich das nicht recht für ihn schicken würde. Dem also entdeckten Schmiede winkte er jedoch sehr gnädig mit der Hand und befahl ihm, als besondere Auszeichnung, daß er an seine Seite käme.

Lemon wußte nicht recht, was er aus der ganzen Sache machen solle, und schnitt ein bitterböses Gesicht, folgte aber nichts desto weniger dem Befehle.

Fast alle Matrosen sind halbe Segelmacher, und Pfeife wurde deshalb von dem Schotten als solcher vorgestellt. Jetzt blieb also nur noch Legs für ein selbst zu erwählendes Metier, und da die Leute gemerkt hatten, daß ihnen das mehr Ansehen gab, wollte natürlich Keiner mehr gemeiner Matrose sein.

„Hol's der Henker,“ sagte Legs, „wenn ihr Alles weggenommen habt, bleibt nichts weiter für mich übrig, wie Koch. Stell mich dem alten runzeligen Rothfell deshalb als Koch vor, Lord Douglas.“

Das geschah; diese Entdeckung schien aber die beabsichtigte Wirkung nicht hervorzubringen; denn Toanonga sah den kleinen Burschen mit einem halb mitleidigen, halb geringschätzigen Blicke an und wiederholte mehrmals das ihm von Mac Kringo genannte Geschäft des Mannes:

Tangata fe-umu, Tangata fe-umu,“ wobei er den dicken Kopf von einer Schulter auf die andere warf.

„Na? steht das dem Alten nicht an,“ fragte Legs, etwas bestürzt über diese augenscheinlichen Beweise des Mißfallens – „was schneidet er denn für Gesichter?“

„Laß nur gehen, Legs,“ beschwichtigte ihn aber der Schotte, „ob es ihm recht ist oder nicht, bleibt sich gleich. Er weiß nun alles, was er wissen will, und jetzt, denke ich, werden uns die Frauen vorgeführt werden.“

„Ich weiß, wen ich nehme,“ schmunzelte da Legs, der an das wunderschöne Mädchen dachte, das er draußen im Wasser gefunden. „Nachher kann ich's hier schon eine Weile auf der Insel aushalten. Wenn wir nur Tabak hätten!“

„Sprich mir nur nicht von Tabak,“ brummte Spund, „ich bin froh, wenn ich ihn einmal einen Augenblick vergessen habe. Wie ich das Wort nur nennen höre, läuft mir das Wasser schon im Maul zusammen.“

„Hallo, da kommen die Frauen!“ rief Legs, der indessen überall umher geschaut hatte, das Mädchen von gestern unter der Schaar heraus zu finden, sie aber bis dahin noch nicht entdecken konnte, „na, nu wird's losgehen.“

6

Legs hatte ganz recht gesehen. Unter den Frauen entstand in diesem Augenblicke eine auffallend lebhafte Bewegung, und während bis dahin die Männer hauptsächlich den innern Ring der Zuschauer gebildet hatten, drängte sich jetzt der weibliche Theil der Bevölkerung vor, um an der Verhandlung und ihrem weiteren Verfolge vielleicht thätigen Antheil zu nehmen.

Jedenfalls geschah dieses auf ein Zeichen, vielleicht auf einen Befehl Toanonga's, der indessen seine Augen aufmerksam im Kreise umhergehen ließ und die ihm näher drängenden Frauen zu mustern schien. War das wirklich der Fall gewesen, so kam er damit bald zu einem Resultate; denn er sah nach wenigen Minuten schon wieder still und nachdenkend vor sich nieder, nur dann und wann nach den Egis hinüberhorchend, die indessen eine desto lebhaftere Debatte führten.

Sie sprachen aber so rasch, daß Mac Kringo nur einzelne Worte davon verstehen konnte. Der alte How oder König schien jedoch mit allem, was sie sagten, einverstanden; nur einmal protestirte er, und die Sache mußte den neben ihm sitzenden Lemon betreffen, auf den er wiederholt deutete. Lemon merkte ebenfalls etwas Ähnliches, und der mürrische Blick, mit dem er den Alten betrachtete, hatte etwas unendlich Komisches. Toanonga nahm aber weiter nicht die geringste Notiz von ihm, und die übrigen Egis schienen sich endlich seiner ausgesprochenen Meinung zu fügen.

„Ma Kino,“ sagte da plötzlich der Alte, indem er sich an den Schotten wandte, „ich und die Egis sind darüber einig geworden, wie sie euch versorgen wollen, und ich will dich kurz mit ihrem Entschluß bekannt machen, welche Frauen euch zugetheilt werden sollen.“

„Zugetheilt?“ fragte der Schotte rasch, „das ist in unserem Lande nicht Sitte und meine Kameraden sind völlig damit einverstanden, daß wir uns lieber die, welche uns am besten gefallen, aussuchen wollen.“

„Das glaube ich euch recht gern,“ sagte der alte Toanonga gutmüthig, während die zunächst sitzenden Frauen unter einander kicherten und flüsterten. „Wenn aber hier überhaupt eine Wahl Statt finden sollte, so wären es unsere Frauen, die dazu ein Recht hätten. Von euch kann gar keine Rede sein. Da die Frauen aber in Geschäftssachen sehr kurzsichtig sind, und die Männer für sie denken müssen, so haben die Egis das übernommen, und du wirst jetzt hören, was wir darüber beschlossen.“

„Aber meine Kameraden werden damit nicht einverstanden sein,“ warf Mac Kringo ein.

„Bah – ich habe dich für einen vernünftigen Papalangi gehalten,“ sagte kopfschüttelnd der Alte. „Was wollt ihr denn thun? – haben wir euch nicht gekauft? – Könnten wir euch nicht die Schädel einschlagen, wenn wir sonst Lust dazu hätten, und habt ihr das etwa nicht auch verdient? – Wer kümmerte sich hier um euch, wenn wir euch in ein durchlöchertes Canoe setzten und euch hinaus in die Bai ziehen ließen, dort nach Gefallen zu sinken oder zu schwimmen, he? also sprich nicht solch dummes Zeug und sei gescheidt. Wenn ihr etwas an der Sache ändern könntet, so hätten wir euch um Rath gefragt. Da das nicht der Fall war, so habt ihr für jetzt weiter nichts zu thun als zu gehorchen.“

Der Alte sprach diese Worte mit seiner gewohnten, gutmüthigen Freundlichkeit, aber doch auch mit so viel Entschiedenheit im Ton, daß Mac Kringo bald merkte, wie sie mit ihm und den Eingeborenen überhaupt standen. Die Schaar der Insulaner war sich, den unbewaffneten Weißen gegenüber, ihres Übergewichts wohl bewußt, und an Widersetzlichkeit von ihrer Seite war in der That nicht zu denken. Klug genug also, die nicht für den Augenblick zu reizen, die einmal die Gewalt in Händen hatten, beschloß Mac Kringo, sich vor der Hand allem zu fügen, was sie über ihn und die Kameraden verhängen würden. Mit der Zeit kam dann auch Rath, und sie fanden vielleicht Mittel und Wege, sich einer ihnen lästig werdenden Gefangenschaft zu entziehen.

Toanonga kümmerte sich indessen wenig um das, was sein Dolmetscher etwa denken oder beabsichtigen mochte. Er hatte ihn mit dem Willen der Egis, der vor allen Dingen auch der seinige war, bekannt gemacht, und daß der durchgeführt werden mußte, verstand sich von selbst.

 

„Ma Kino,“ begann er deshalb nach kurzer Pause, denn das Wort Mac Kringo konnte er nicht gut aussprechen, indem er den vor ihm sitzenden Schotten fest und scharf ansah, „du bist, wie du sagst, auf eurem großen Canoe ein Egi gewesen, und es ist deshalb auch in der Ordnung, daß mit dir der Anfang gemacht wird. Die Anderen kommen nachher in der Reihenfolge, die ihnen gebührt. Da du nun unsere Sprache verstehst, gedenke ich dich in meiner Nähe zu behalten, welcher Ehre du dich hoffentlich würdig machen wirst, und zu dem Zweck und um dich auch zugleich recht wohnlich bei uns einzurichten, habe ich dir eine passende Frau bestimmt, die du gut behandeln und für die du sorgen wirst. Hast du mich verstanden?“

Mac Kringo nickte schweigend mit dem Kopf, denn der Alte fing an, ihm in seiner Ruhe und Bestimmtheit zu imponiren. Die Veränderung fiel ihm auch auf, wie sich Toanonga jetzt und damals benahm, als ihr Capitain noch mit seiner ganzen Schiffsmannschaft hier lag. Damals war er ihnen weit mehr als Freund und guter Bursche entgegengekommen, während er jetzt, von seinem ganzen Stamme umgeben und den wenigen Weißen gegenüber, nicht ernst und würdevoll genug aussehen konnte. Doch das alles zuckte ihm nur in flüchtigen Gedanken durch das Hirn, denn der gegenwärtige Moment war für ihn selber viel zu entscheidend, um sich mit anderen Beobachtungen aufzuhalten.

Toanonga winkte nämlich einer Frau, die, nicht mehr ganz jung, aber doch noch in den besten Jahren, den Kopf gebeugt, in dem vorderen Ringe saß. Auf das Zeichen, das sie unter den gesenkten Augenlidern vor gesehen haben mußte, richtete sich aber etwas auf und sah Toanonga an. – Mac Kringo war für sie gar nicht da.

„Mefo Hupe,“ sagte Toanonga, die Frau anredend, „du bekommst hier einen Versorger. Ma Kino wird mit dir in deine Hütte ziehen und das Feld für dich und deine Kinder bearbeiten.“

„Deine Kinder?“ rief der Schotte erstaunt, während die Frau wieder, als Zeichen des Gehorsams, den Kopf senkte, „sind denn Kinder auch dabei?“

„Allerdings,“ erwiderte freundlich der alte How, „und um so viel besser für dich, denn du hast gleich eine Familie, in der du zu Hause bist. Mefo Hupe war die Frau eines tapferen Egi's, Luttanaki mit Namen, der in dem letzten Kampfe gegen die Hapai-Leute getödtet wurde. Er hatte vorher sieben Hapai-Krieger mit eigener Hand erschlagen; du wirst deshalb nicht verfehlen, die Frau ehrerbietig zu behandeln. Geh jetzt in deine Wohnung, Mefo Hupe, und bereite dich zu der üblichen Feierlichkeit vor.“

Die Frau stand auf und verließ, ohne auch nur einen Blick auf ihren künftigen Gatten zu werfen, die Versammlung, und Mac Kringo wußte wirklich kaum, ob das hier alles nur ein Scherz sein sollte, oder ob die Insulaner wirklich Ernst machten. An dem Letzteren brauchte er aber kaum zu zweifeln, denn Toanonga sah gar nicht wie Spaßen aus. Wie er sich aber noch überlegte, ob es nicht vielleicht schicklich wäre, daß er wenigstens ein paar Worte mit seiner künftigen Frau spräche, wandte sich der Alte schon wieder an ihn, und zwar um zwischen ihm und dem jetzt an die Reihe kommenden Lemon zu dolmetschen.

Nun war dem How oder König dieser Insel nichts erwünschter, als einen Schmied unter den Papalangis gefunden zu haben; denn den großen Nutzen, den ihnen eiserne Werkzeuge gewährten, hatte er schon lange kennen gelernt. Diesen beschloß er deshalb auch unter seine ganz besondere Protection zu nehmen und für sich selber zu benutzen. Daß ein Schmied auch Werkzeug haben muß, ehe er eine Arbeit liefern kann, fiel ihm nicht ein. Der Fremde war nun einmal ein Schmied, und damit die Sache abgethan.

Für Lemon hatte er deshalb auch eine der jüngsten zu vergebenden Frauen bestimmt, und Mac Kringo mußte ihn mit dem seiner harrenden Glücke bekannt machen. Toanonga erstaunte aber nicht wenig, als der Matrose, der die ganze Sache immer noch für einen schlechten Spaß hielt und mürrischer als je war, ein Gesicht zu der Eröffnung schnitt, als ob er den Dolmetscher hätte umbringen können.

„Unsinn!“ knurrte er dabei, „laß dich doch nicht von dem alten Rothfell zum Narren haben, Lord Douglas!“

„Aber er ist in vollem Ernst.“

„Bah – Dummheiten – sag ihm nur, ich wollte keine Frau haben. Erstlich möcht' ich überhaupt nicht heirathen, und dann – hätte ich auch schon zwei Frauen in England.“

„Zwei?“ rief der Schotte überrascht.

„Na, wenn die Erste nicht in der Zeit gestorben,“ brummte der sauertöpfische Gesell – „ich habe mich wenigstens nie darum bekümmert, und weiß jetzt nicht einmal wo meine zweite ist.“

„Was sagt er,“ fragte Toanonga, der sich den sichtbaren Unwillen des Fremden nicht erklären konnte.

„Hm,“ meinte Mac Kringo – „er – er sagt, er hätte schon eine Frau, und nach unseren Gesetzen dürfen wir nicht mehr nehmen.“

„Oh – weiter nichts?“ lachte Toanonga gutmüthig, „da sag' ihm nur, daß er sich deshalb keine Sorgen mache, denn hier sind wir auf Monui, und ich selber habe neun Frauen. Doch das findet sich alles; ich erlaube ihm, daß er die Frau nimmt, die ich ihm gebe, und an das Andere hat er sich nicht zu kehren. Außerdem wird er seine Hütte auf meinem Grund und Boden haben und unter meinem ganz besonderen Schutze stehen. Sag' ihm das!“

Die zweite Frau stand auf ein Zeichen Toanonga's ebenfalls auf und verließ den Kreis. Lemon aber, den Mac Kringo den neuen und verschärften Befehl übersetzt hatte, konnte von dem Schotten nur mit Mühe beruhigt werden, daß er sich hier nicht gleich vor der ganzen Versammlung widersetzte. Die ihm bestimmte Frau hatte er nicht einmal angesehn.

Toanonga aber nahm weiter keine Notiz von ihm, da er noch die Verlobungen der vier anderen Weißen zu beseitigen hatte. Mit diesen verfuhr er jedoch ziemlich summarisch, wenigstens nahm er Jonas, Pfeife und Spund zusammen, zeigte dabei auf drei neben ihm sitzende Frauen, von denen zwei kleine Kinder auf dem Schooß hatten, und ließ die drei Matrosen durch Mac Kringo bedeuten, daß sie dieselben zu Frauen bekommen sollten, wie sie gerade in der Reihe säßen. Als Empfehlung wahrscheinlich bemerkte er nur nebenbei, daß die eine vier, die andere drei und die dritte fünf Kinder habe.

Auf eine Antwort der betreffenden Personen wartete er ebenfalls nicht. Kam es doch hier nur darauf an, daß er eben seinen Willen kund that und die verschiedenen Partieen gewisser Maßen einander vorstellte.

Jetzt war nur noch Legs übrig, der bis dahin vergebens gesucht hatte, Mac Kringo zu bewegen, ein gut Wort für ihn in Betreff des Mädchens einzulegen, das er mit vielem Vergnügen heirathen wolle. Mac Kringo aber war bis dahin von Toanonga viel zu sehr in Anspruch genommen worden, ihm willfahren zu können und erst jetzt, da der alte Häuptling den sechsten Mann fast vergessen zu haben schien, hielt er es an der Zeit, die Aufmerksamkeit des Alten auf ihn zu lenken.

„Hier, How,“ sagte er dabei, „ist noch Einer, der dir gern eine Bitte vortragen möchte.“

„Der?“ sagte Toanonga, indem er einen fast verächtlichen Blick nach der Stelle hinüber warf, wo Legs saß, ohne diesen selbst anzusehen – „der ist gut für nichts – das ist blos der Koch29.“

„Der soll also gar keine Frau haben?“ fragte Mac Kringo, und bereuete schon, daß er sich nicht selber als Koch anstatt als Egi angegeben hatte.

„O ja,“ erwiderte aber Toanonga – „es waren sieben Frauen da, für euch sechs. – Der Koch bekommt die beiden letzten. Sind ein Bischen alt und nicht gerade hübsch, haben aber zusammen sieben Kinder – gut genug für den Koch. Die da drüben sind's.“

Mac Kringo mußte an sich halten, daß er nicht laut auf lachte. Legs gönnte er übrigens die beiden; denn der kleine Bursche war, trotz seiner ansehnlichen Statur, immer der gewesen, der sich schon an Bord am unbändigsten gezeigt und nicht selten Streit angefangen hatte. Unendlich komisch kam es ihm dabei vor, sich den etwas krummbeinigen Kameraden als doppelten Familienvater zu denken, und daß seine Ehe interessant und keineswegs langweilig werden würde, dafür bürgten die Gesichter der beiden Frauen. Schienen sie doch selbst in diesem Augenblick schon nicht übel Lust zu haben, einander in die Haare zu gerathen.

„Nun, Lord Douglas, was sagt er?“ fragte Legs, der sich schon so mit dem Gedanken vertraut gemacht hatte, ein wackerer Bürger von Monui zu werden, daß er die Zeit kaum erwarten konnte. „Soll ich den kleinen Wildfang zur Frau haben? Hol's der Teufel, wir passen auch in der Figur zusammen und müssen ein prächtiges Paar geben!“

27Hotuas sind die obersten Götter.
28Süße Kartoffeln und Yams.
29Auf den Tonga-Inseln ist der Koch der verachtetste unter den verschiedenen Handwerkern.