4. Verfahren und Vollstreckung
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Für die Festsetzung
der Verbandsgeldbuße
existieren zwei Verfahren. Im Regelfall wird im
verbundenen Verfahren
sowohl über die Festsetzung einer Strafe bzw. Geldbuße gegen die Leitungsperson als auch über eine
kumulative Verbandsgeldbuße
entschieden. Diese Vorgehensweise ist prozessökonomisch und vermeidet eine Doppelbestrafung. Im Verfahren gegen die Leitungsperson ist die
Nebenbeteiligung
des
Verbands durch das Gericht (§ 444 Abs. 1 S. 1 StPO) bzw. die Verwaltungsbehörde (§ 88 Abs. 1 Hs. 1 OWiG) anzuordnen. Vertreten wird der Verband von seinen vertretungsberechtigten Organen, soweit sie nicht der Anknüpfungstat beschuldigt werden. Zulässig ist nach h.M. – als Ausnahme vom Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) – die
gemeinschaftliche Verteidigung
von Leitungsperson und Verband. Die Festsetzung der Verbandsgeldbuße erfolgt in einem einheitlichen Urteil oder Strafbefehl (§ 407 Abs. 2 Nr. 1 StPO) bzw. Bußgeldbescheid.
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Ausnahmsweise wird im
selbstständigen Verfahren
eine
isolierte Verbandsgeldbuße
festgesetzt, wenn gegen die Leitungsperson kein Verfahren eingeleitet, dieses eingestellt oder von Strafe abgesehen wurde (§ 30 Abs. 4 S. 1 OWiG). Lässt
sich die
Identität des Täters nicht ermitteln, steht aber fest, dass eine Leitungsperson i.S.d. § 30 Abs. 1 OWiG die Tat volldeliktisch begangen hat, kann eine
anonyme Verbandsgeldbuße
festgesetzt werden. Ausgeschlossen ist die selbstständige Festsetzung, wenn die Anknüpfungstat aus rechtlichen Gründen – etwa bei Verjährung, aber auch bei Immunität, Exterritorialität, Amnestie oder fehlendem Strafantrag – nicht verfolgt werden kann (§ 30 Abs. 4 S. 3 OWiG). Darüber hinaus kann in weiteren Fällen die selbstständige Festsetzung vorgesehen werden (§ 30 Abs. 4 S. 2 OWiG), wodurch allerdings Doppelermittlungen möglich werden. Eine solche Sonderregelung enthält seit dem 20. August 1997
§ 82 GWB
für Kartellverstöße, um bei Submissionsabsprachen auch nach der Hochstufung zur Straftat (§ 298 StGB) die Sachkunde und Erfahrung der Kartellbehörden nutzen zu können. Ebenso gestattet seit dem 13. Juli 2005
§ 96 EnWG
der zuständigen Regulierungsbehörde beim Missbrauch einer
Marktstellung die selbstständige Festsetzung.
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Die
Vollstreckung
richtet sich nach
§§ 89–92 OWiG
, wobei für den Verband, der nur Nebenbeteiligter ist, auch die §§ 94, 96 und 97 OWiG – die sich eigentlich an den Betroffenen richten – gelten (§ 99 Abs. 1 Hs. 2 OWiG). Damit entspricht die Vollstreckung weitgehend derjenigen bei natürlichen Personen. So kann das Gericht die
Erzwingungshaft
(§ 96, 97 OWiG) gegen die vertretungsberechtigten Organe anordnen. Hierbei entscheidet das Gericht bei mehreren Vertretungsberechtigten nach pflichtgemäßem Ermessen, ob gegen alle Erzwingungshaft anzuordnen ist, wobei die Dauer der Haft sechs Wochen bzw. – wenn gegen das Organ zugleich wegen einer im verbundenen Verfahren verhängten Geldbuße persönlich vollstreckt wird – drei Monate nicht übersteigen darf.
II. Weitere Sanktionen und Maßnahmen
1. Einziehung von Taterträgen (§§ 73 ff. StGB, § 29a OWiG)
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Vorschriften zur Vermögensabschöpfung waren im StGB lange Zeit nicht enthalten, da die Geldstrafe früher mit der Gewinnabschöpfung zu verbinden war (§ 27b StGB a.F.). Mit der Reform des AT zum 1. Januar 1975 ging das StGB allerdings zum Tagessatzsystem über, womit die Vorschriften zum
Verfall
(§§ 73 ff. StGB a.F.) geschaffen werden mussten. Im OWiG wurde die Verfallsvorschrift des § 29a OWiG (a.F.) jedoch erst sehr spät, zum 1. August 1986, eingeführt. Zuvor wies die Abschöpfung große Lücken auf, da Gewinne aus rechtswidrigen, aber nicht vorwerfbaren Wirtschaftsstraftaten sowie Gewinne, die nicht der Täter, sondern der Verband erlangt hatte, nicht der Abschöpfung unterlagen. Seit dem 7. März 1992 bezog sich der Verfall nicht mehr (nur) auf den Wert des aus der Tat erlangten Vermögensvorteils, sondern auf das „erlangte Etwas“, womit nicht mehr (nur) der Nettogewinn abgeschöpft werden sollte (
Nettoprinzip
), sondern die „Gesamtheit des Erlangten“ (
Bruttoprinzip
). Durch das „
Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung
“ vom 13. April 2017 wurde zum 1. Juli 2017 die Vermögensabschöpfung grundlegend neu geregelt. Anlass war, dass das Regelungswerk zum Verfall äußerst komplex, unübersichtlich und mit zahlreichen rechtlichen Zweifelsfragen belastet war, womit Entscheidungen in hohem Maße fehleranfällig waren. Durch die Reform wurde der Terminus „Verfall“ in Anpassung an die europäische Terminologie („confiscation“) durch den der „
Einziehung
“ ersetzt. Vor allem sollte aber die Bestimmung des „erlangten Etwas“
modifiziert und das Bruttoprinzip (angeblich) „gestärkt“ werden. Die Änderung des Wortlauts („durch“ die Tat statt „aus“ der Tat) beseitigte das Erfordernis eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen Tat und Bereicherung. Das „erlangte Etwas“ wird nunmehr
zweistufig
bestimmt: Auf der ersten Stufe (§ 73 Abs. 1 StGB) werden mittels einer „rein gegenständlichen“ Betrachtungsweise alle Vermögenswerte erfasst, die einem Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten durch die Tat zugeflossen sind; auf der zweiten Stufe (§ 73d Abs. 1 StGB) sind die Aufwendungen des Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten abzuziehen. Hierbei bleibt außer Betracht, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt wurde; Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat sind hingegen stets abziehbar. Im Ergebnis gilt damit ein
abgemildertes Bruttoprinzip
.
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Erlangt eine juristische Person bzw. Personenvereinigung durch eine Straftat einen Vermögensvorteil, wird gegen diesen Verband – der weder Täter noch Teilnehmer ist – nach § 73b StGB die sog.
Dritteinziehung
angeordnet. Voraussetzung ist nach der komplexen Regelung des § 73b Abs. 1 S. 1 StGB, dass der Verband durch die Tat „etwas erlangt“ hat und (Nr. 1) der Täter „für ihn gehandelt“ hat oder (Nr. 2) ihm das Erlangte unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde (lit. a); dasselbe gilt, wenn dem Täter das Erlangte übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass es aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung herrührt (lit. b). Entsprechendes gilt, wenn der Verband – der nicht Täter ist – durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt hat (§ 29a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 OWiG) und die Abschöpfung nicht bereits im Rahmen der Bemessung der Verbandsgeldbuße erfolgt ist. Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat gemäß der bisherigen h.M. klargestellt, dass das „Handeln für einen anderen“ nicht eng i.S.v. § 14 StGB, § 9 OWiG zu verstehen ist. Vielmehr fallen hierunter nicht nur die Taten aller Verbandsangehörigen (Vertretungsfälle), sondern auch die Fälle der unentgeltlichen bzw. bemakelten Zuwendung (Verschiebungsfälle); nicht einbezogen sind allein die Fälle, in denen einem gutgläubigen Dritten Tatvorteile in Erfüllung einer nicht bemakelten entgeltlichen Forderung zugewendet werden (Erfüllungsfälle).
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Darüber hinaus ist nach § 76a Abs. 4 StGB die
selbstständige Einziehung
möglich. Danach soll ein aus einer rechtswidrigen Tat herrührender Gegenstand, der in einem Verfahren wegen des Verdachts einer Katalogtat (§ 76a Abs. 4 S. 3 StGB) sichergestellt worden ist, auch dann selbstständig eingezogen werden, wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Zu den Katalogtaten zählen u.a. nicht nur Straftaten aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität und der Terrorismusfinanzierung, sondern vor allem auch die Geldwäsche, was für Unternehmenszusammenhänge von großer Bedeutung ist.
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Die Rechtsnatur der Einziehung von Taterträgen ist wie die des früheren Verfalls umstritten. Unter Geltung des Nettoprinzips war der Verfall eine
quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme
, da nur eine Gewinnabschöpfung stattfand. Seit dem Übergang zum Bruttoprinzip war dagegen alles, was der Täter „für“ die Tat oder „aus“ ihr erlangt hatte, für verfallen zu erklären. Angesichts dessen wurde dem strafrechtlichen Verfall – sofern dem Täter ein Strafübel in Form nutzloser Aufwendungen auferlegt wurde – verbreitet
Strafcharakter
attestiert. Dies gilt im Wesentlichen auch für die heutige Einziehung von Taterträgen, da das Bruttoprinzip lediglich abgemildert wurde. Konsequenz wäre, dass die Anordnung, soweit über die Gewinnabschöpfung hinausgegangen wird, nur bei einem Verschulden zulässig wäre und schuldangemessen sein müsste. Entsprechendes hätte mit Blick auf den
Ahndungscharakter
für den ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfall zu gelten. Der BGH hat den Verfall dagegen als
Maßnahme eigener Art
begriffen, die primär einen Präventionszweck verfolgen soll: Es gehe allein um die Abschöpfung erlangter Vorteile, das Bruttoprinzip habe nur den Berechnungsmodus modifiziert, um die Regelungen für die Praxis „effektiver“ auszugestalten. Dies soll nach der Auffassung des Reformgesetzgebers auch für die Einziehung gelten.
2. Mehrerlösabführung (§ 10 Abs. 2 WiStrG 1954)
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Nach § 10 Abs. 2 WiStrG 1954 kann, sofern in einem Betrieb eine rechtswidrige Tat nach dem WiStrG begangen wurde, die
Abführung des Mehrerlöses
gegen den Inhaber oder Leiter eines Betriebs und, falls der Inhaber eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts ist, auch gegen diese selbstständig angeordnet werden. Die Abführung des Mehrerlöses tritt dann an die Stelle der Einziehung von Taterträgen (§ 8 Abs. 4 WiStrG 1954). Der
Anwendungsbereich
des WiStrG ist heute nur noch klein (i.E. §§ 1–5 WiStrG 1954). Außerdem handelt es sich – mit Ausnahme von § 1 WiStrG 1954 – nur noch um Ordnungswidrigkeiten. Täter
der Anknüpfungstat kann jeder sein, der im Betrieb tätig ist. Die Abführung des Mehrerlöses kann zwar nicht gegen alle rechtsfähigen Personengesellschaften, insb. nicht gegen die GbR, angeordnet werden. Lücken bestehen aber dennoch nicht, da § 10 Abs. 2 WiStrG 1954 auf den „Inhaber“ abstellt, womit auf die Gesellschafter rekurriert werden kann.
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Die Rechtsnatur der Mehrerlösabführung ist umstritten, da der Mehrerlös nicht im Gewinn, sondern im Unterschiedsbetrag zwischen zulässigem und erzieltem Preis besteht (§ 8 Abs. 1 S. 1 WiStrG 1954). Damit kann dem Täter mehr genommen werden, als er durch die Tat gewonnen hat. Nach einem Urteil des BGH von 1961 soll es sich um ein „Abschreckungsmittel“ handeln. Allerdings kann die Mehrerlösabschöpfung nicht anders als die Einziehung von Taterträgen, an dessen Stelle sie treten kann, beurteilt werden. Es muss sich im Duktus der Rechtsprechung also um eine
Maßnahme eigener Art
handeln,
bzw. nach der Gegenauffassung ist ihr, soweit sie die Gewinnabschöpfung übersteigt,
Straf- bzw. Ahndungscharakter
zuzusprechen.
3. Umsatzbezogene Geldbußen
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Umsatzbezogene Geldbußen sieht das
Kartellordnungswidrigkeitenrecht
seit dem 1. Januar 2005 vor. Kartellordnungswidrigkeiten können nicht nur mit einer Geldbuße von bis zu 1 Mio. Euro geahndet werden, sondern darüber hinaus kann gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung eine höhere Geldbuße verhängt werden, die 10 % des Gesamtumsatzes erreichen kann, der in dem Geschäftsjahr erzielt wurde, das der Entscheidung vorausging (§ 81 Abs. 4 S. 2 GWB). Zugrunde zu legen ist der „weltweite Umsatz aller natürlichen und juristischen Personen, die als wirtschaftliche Einheit operieren“ (§ 81 Abs. 4 S. 3 GWB). Auch der wirtschaftliche Vorteil gemäß § 17 Abs. 4 OWiG kann abgeschöpft werden (§ 81 Abs. 5 S. 1 GWB). Die Umsatzabführung hat die mehrerlösbezogene Bemessung abgelöst, die nur die Abschöpfung bis zur dreifachen Höhe des durch die Zuwiderhandlung erlangten Mehrerlöses gestattete (§ 81 Abs. 2 GWB a.F.). Anlass war, dass der Europäischen Kommission das neue Kartellrechtssystem die Verhängung umsatzbezogener Geldbußen ermöglicht hatte (vgl. Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1/2003). Nunmehr musste sichergestellt werden, dass auch die deutschen Kartellbehörden hohe Bußgelder verhängen können, um der dezentralen Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts praktische Wirksamkeit zu verschaffen und die volkswirtschaftlichen Schäden durch einen Kartellrechtsverstoß zu kompensieren. Darüber hinaus wurde in den vergangenen Jahren in weiteren Deliktsbereichen – in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben – ebenfalls die Möglichkeit geschaffen, sehr hohe umsatzbezogene Verbandsgeldbußen zu verhängen, nämlich im
Bilanzrecht
(§ 334 Abs. 3a und 3b HGB) und im
Wertpapierrecht
(§ 120 Abs. 17–23 WpHG). Ebenso sieht das
Datenschutzrecht
umsatzbezogene Geldbußen vor (Art. 83 DSGVO). Es ist zu erwarten, dass diese Form der Geldbuße künftig in weiteren harmonisierten Rechtsbereichen Einzug halten wird.
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Umsatzbezogene Geldbußen, die bei Großunternehmen
hohe Geldbußen im Milliardenbereich
ermöglichen, unterliegen im Schrifttum
starker Kritik
: die dem Gesetzgeber obliegende Bestimmung des Bußgeldrahmens werde auf den Rechtsanwender übertragen (Gewaltenteilung); der Gesamtumsatz stehe in keinem zwingenden Zusammenhang zum Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat und deren Auswirkungen (Schuldgrundsatz); extrem hohe Geldbußen, die den Höchstbetrag einer Geldstrafe um ein Vielfaches übersteigen, seien kein bloßes Ordnungsunrecht (Rechtsstaatsprinzip). Die Gerichte der EU haben umsatzbezogene Geldbußen aber bislang nicht beanstandet, da hierdurch weder der allgemeine Rechtsgrundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Tatbestand und Strafe noch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen (Art. 7 Abs. 1 EMRK) verletzt werde.
4. Einziehung von Gegenständen (§ 74e StGB, § 29 OWiG)
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Weiter kommt nach § 74e StGB (§ 75 StGB a.F.), § 29 OWiG die
Einziehung von Verbandseigentum
in Betracht, wenn eine Leitungsperson gehandelt hat und unter den übrigen Voraussetzungen der §§ 74–74c StGB (Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten) bzw. §§ 22–25, 28 OWiG (Einziehung von Gegenständen) die Einziehung zulässig ist. Der Kreis der in § 74e S. 1 StGB, § 29 Abs. 1 OWiG genannten Organe und Vertreter sowie Verbände deckt sich mit § 30 OWiG, da er zum 30. August 2002 (
Rn. 29
) ebenfalls erweitert worden war. Dieser „Gleichklang“ sollte verhindern, dass Einziehungsanordnungen durch die Verlagerung der Verantwortung unterlaufen werden können. Bei vorsätzlichen Straftaten ist die Einziehung von Tatprodukten und Tatmitteln stets zulässig (§ 74 Abs. 1 StGB), im Übrigen muss sie besonders zugelassen sein (§ 74 Abs. 3 S. 2 StGB, § 22 Abs. 1 OWiG), wobei es i.d.R. um die Einziehung von Gegenständen geht, auf die sich die Tat bezieht (sog. Beziehungsgegenstände, heute als Tatobjekte bezeichnet, vgl. § 74 Abs. 2 StGB; Beispiele: § 150 StGB, § 129 OWiG). Die Tat muss grds. schuldhaft bzw. vorwerfbar begangen worden sein (Umkehrschluss aus § 74b Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 22 Abs. 3 OWiG).
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Die Einziehung von Gegenständen gilt als „schillerndes Rechtsinstitut“. Im
Strafrecht
ist sie eine
Nebenstrafe
und Teil der Strafzumessung, wenn sie gegen einen Täter oder Teilnehmer angeordnet wird, der schuldhaft gehandelt hat. Fehlt es hieran, ist sie eine
Sicherungsmaßnahme
, um gefährliche Gegenstände aus dem Verkehr zu ziehen (vgl. § 74b Abs. 1 StGB). Darüber hinaus gibt § 74a StGB die Möglichkeit der
strafähnlichen Dritteinziehung
ungefährlicher Gegenstände. Gegenstände eines Tatunbeteiligten werden eingezogen, wenn er mindestens leichtfertig zur Verwendung als Tatmittel oder Tatobjekt beigetragen (§ 74a Nr. 1 StGB) oder den Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erworben hat (§ 74a Nr. 2 StGB). Da dem Dritten ein „quasi-schuldhaftes Verhalten“ angelastet wird, dürfte die Dritteinziehung nur dann mit dem Schuldgrundsatz vereinbar sein, wenn der Dritteigentümer zumindest mittelbar in die Tatbegehung „verstrickt“ war. Im
Ordnungswidrigkeitenrecht
ist die Einziehung eine
Nebenfolge
, der ebenfalls eine Doppelfunktion
zukommen kann. Knüpft sie an ein vorwerfbares Handeln an (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 OWiG), hat sie
repressiven Charakter
und ist bei der Bemessung der Hauptsanktion zu berücksichtigen. Ansonsten ist sie eine Sicherungsmaßnahme (§ 22 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 OWiG). Schließlich ist auch hier die
ahndungsähnliche Dritteinziehung
möglich (vgl. § 23 OWiG).
5. Verwaltungsrechtliche Maßnahmen
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Schließlich steht ein umfangreiches verwaltungsrechtliches Instrumentarium zur Verfügung. Hierbei geht es allerdings nicht um die (repressive) Sanktionierung eines schuldhaften Verhaltens, sondern ausschließlich um die (präventive)
Abwehr von Gefahren
, die von Betrieben und Unternehmen ausgehen.
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Zunächst besteht die Möglichkeit der
Gewerbeuntersagung
, womit quasi ein „Berufsverbot“ verhängt werden kann. So kann nach § 35 GewO von der zuständigen Behörde die Ausübung eines stehenden Gewerbes ganz oder teilweise auf Dauer – mit der Möglichkeit der Wiedergestattung – untersagt werden, „wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit
des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist“. „Erforderlich“ ist eine Untersagung, wenn zum Schutz kein milderes Mittel zur Verfügung steht (z.B. Auflagen, Abmahnung). Eine „Volluntersagung“ kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Auch weitere Vorschriften ermöglichen die Untersagung gewerblicher Betätigungen: § 59 GewO (Reisegewerbe); § 15 GastG (Gaststättengewerbe); § 16 Abs. 3 HWO (Handwerk).
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Weiter ist die
Untersagung der Benutzung von Anlagen
möglich. Die zuständige Behörde kann die Benutzung gewerblicher Anlagen weg