Mord am Campus

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Sari: Boston Law #1
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 Immer noch saß er mit dem Scotch-Glas in der Hand auf seinem Lieblingssessel in der Bibliothek. Lange hatte er nach diesem Sessel gesucht. Er hatte sich einen typisch englischen Bibliothekssessel eingebildet, der einen alten Ledergeruch an sich haften hatte und in dem man auch als großgewachsener Mann versinken konnte, wenn man seine Zigarre und seinen Scotch darin genoss. Er hatte ihn durch Zufall in London bei einer Auktion gefunden und sich nach Hause schicken lassen. Seine Frau war nicht begeistert gewesen, aber die Bibliothek betrat sie ohnedies so gut wie nie. Das war sein Rückzugsort. Und der Lillys.

 Wie gern kam seine Tochter schon als kleines Mädchen zu ihm in die Bibliothek und ließ sich von ihm vorlesen. Als sie klein war, saß sie auf seinem Schoß, kuschelte sich vertrauensvoll an ihn. Je älter sie wurde und somit größer, kauerte sie sich auf den Boden und lehnte sich an seine Beine. Und er las ihr vor. In letzter Zeit diskutierten sie viel miteinander, denn sie war wie er politisch interessiert und was sich zur Zeit in Amerika abspielte, war zum Fürchten.

 Hat es dieser Trump doch tatsächlich geschafft, zum Präsidentschaftskandidaten für die Republikaner aufgestellt zu werden, überlegte er schaudernd. Noch mehr grauste ihm vor den Gedanken, was Amerika, was der Welt mit einem US-Präsidenten Donald Trump bevorstand.

 Viel mehr würde er Hillary Clinton den Sieg wünschen. Es wäre ein historischer Erfolg, eine Frau auf Amerikas Präsidentenstuhl. Dann würde er eine Zukunft für seine Tochter sehen. Bei Trump dagegen ... was konnten Frauen da erwarten? Wenn er nur an die marionettenhaften Puppen dachte, mit denen sich Trump umgab. Jetzt hatte Ehefrau Nummer drei den Fauxpas begangen, die fast wortwörtlich geklaute Rede der jetzigen First Lady Michelle Obama zu wiederholen, die diese vor acht Jahren auf dem Parteitag der Demokraten zur Nominierung ihres Mannes gehalten hatte.

 In dem Moment hörte er die schwere Eingangstür ins Schloss fallen.

 »Lilly«, rief er. Nichts rührte sich. Aber es konnte nur Lilly sein. Niemand sonst hatte einen Schlüssel. Caroline hatte ihren gestern lässig auf den antiken Tisch in der Vorhalle geworfen, wo die Briefe sortiert von der Haushälterin abgelegt wurden, als sie ihm verkündet hatte, sie werde ausziehen und »dieses Ding nicht mehr brauchen«.

 »Lilly«, rief er erneut. Wieder nichts. Er erhob sich aus seinem Stuhl, leicht schwankend, auf nüchternen Magen spürte er den dritten Scotch.

 Als er aus der Tür in die geräumige Vorhalle trat, stand dort Lilly. Wie immer machte sein Herz einen Freudensprung, wenn er seine Tochter sah. Sie war das einzig Gute, das dieser Ehe entsprungen war. Ohne sie hätte er Caroline schon vor Jahren verlassen. Sie erst gar nicht geheiratet. Denn nur ihrer Schwangerschaft mit Lilly hatte sie die Hochzeit zu verdanken.

 Er hatte schnell herausgefunden, dass sie ihn nur benutzt hatte. Ein Sohn aus reichem Elternhaus, dem eine wunderbare Karriere als Anwalt bevorstand, schließlich hatte sein Vater bereits eine gut gehende Anwaltskanzlei mit mehreren Partnern. Sie hatte sich ins gemachte Nest gesetzt. Und ihm die Hölle bereitet. Ohne Lilly …

 »Was ist los?«, fragte er erschrocken, als er ihr kreidebleiches Gesicht und ihre aufgerissenen Augen sah, aus denen die Tränen herausschossen.

 »Lilly, Schatz, was ist geschehen?«, fragte er besorgt nach.

 Laut schluchzte sie auf, dann lief sie an ihm vorbei in das obere Stockwerk. Nach kürzerster Zeit hörte er ihre Zimmertür krachend ins Schloss fallen. Nun war er beunruhigt. Das sah Lilly nicht ähnlich. Sie kam mit allen Problemen zu ihm, schüttete ihr Herz nie ihrer Mutter aus, denn die machte ihr stets aufs Neue klar, wie sehr sie es bereute, nicht abgetrieben zu haben. Das hatte Lilly und ihn nur noch enger zusammengeschweißt.

 Er schritt die Treppe in den oberen Stock hinauf, sich festhaltend an dem Geländer. Er hätte dem Scotch nicht so zusprechen sollen, schalt er sich aus. Was wird Lilly von mir denken, wenn sie merkt, dass ich zuviel getrunken habe? Er riss sich zusammen, wenn Lilly zu Hause war. Aber seit sie am Campus wohnte und nur gelegentlich ins elterliche Nest zurückkam …

 Warum ist sie heute vorbei gekommen? Was bewegte sie so sehr, dass sie nach Hause gefahren ist?, überlegte er fieberhaft. Gott sei Dank war sie gestern Abend nicht herein geschneit, als er mit Deborah … wäre das peinlich gewesen!

 »Lilly«, rief er eindringlich, als er an ihre Tür klopfte. »Lilly, komm, mach auf. Erzähl mir, was dich bedrückt.«

 Keine Reaktion. Nur lautes Schluchzen.

 »Lilly«, rief er erneut und klopfte heftiger.

 »Geh weg«, schrie sie hysterisch.

 »Aber Lilly, was ist nur los mit dir? Warum willst du nicht mit mir sprechen?«, fragte er verzweifelt.

 »Frag Mom«, schluchzte sie nur.

 Caroline?, dachte er verblüfft. Was hatte die damit zu tun?

 »Hat sie dir von unserer Trennung erzählt?«, wollte er besorgt wissen. Das würde Caroline ähnlich sehen, Lilly die Schuld in die Schuhe zu schieben.

 »Nein, noch etwas viel Schlimmeres«, brach es aus ihr heraus.

 Sein Herz krampfte sich zusammen. Was hatte sie ihrer Tochter jetzt wieder angetan?

 »Lilly, sag schon, was ist es«, drang er nun heftiger in sie.

 »Nein, ich kann nicht«, und das Schluchzen wurde verzweifelter.

 Mittlerweile war er nüchtern. Die Sorgen um Lilly brachten ihm den klaren Kopf zurück.

 Ich muss Caroline anrufen, vielleicht kann sie mir sagen, was hier vorgefallen ist, überlegte er bestürzt. Falls sie mir überhaupt die Gnade erweist, mit mir zu reden, dachte er sarkastisch, während er in die Küche hinabstieg.

 Dort ließ er sich einen starken Espresso durch seine Luxuskaffeemaschine laufen. Caroline war immens stolz auf diese Rocket R58 aus Stahl. Ihre Freundinnen kamen nur wegen des Kaffees ständig auf einen Schwatz. Wahrscheinlich auch ihre zahlreichen Liebhaber, dachte er spöttisch. Wobei, damit tat er Caroline unrecht. Wenn sie etwas konnte, dann Männer glücklich machen. Allerdings nur, wenn sie Lust verspürte oder es ihren Zwecken dienlich war.

 Sie hatte eine unheimliche Gabe, einen Mann mit der Zunge zu verwöhnen, sodass er davon abhängig werden konnte. Er war als junger Student so gierig danach gewesen, dass er schon während der Vorlesung nur ihren Mund beobachten konnte, wenn sie kokett mit Dr. Sommersby flirtete und er wusste, wenn er sie nach der Uni in seinem schicken Cabriolet mitnahm …

 Es war atemberaubend gewesen, mit offenem Verdeck über die Landstraße zu fahren, auf Carolines blonden Hinterkopf zu blicken, die ihren Kopf in seinem nackten Schoß vergraben hatte. Er musste das Lenkrad jedes Mal fest umklammern, um nicht in den Straßengraben zu lenken bei den himmlischen Genüssen, die sie ihm bereitet hatte.

 Allerdings war es nach der Heirat damit vorbei. Zuerst hatte sie ihre Schwangerschaft als Vorwand genommen, dann postpartale Depression und schließlich … Vorbei ist vorbei. Und er wäre nie in diese Ehe geschlittert, wäre er nicht so dumm gewesen. So gierig nach dieser Frau. Immer hatte er ein Kondom verwendet. Nur einmal nicht.

 Gut konnte er sich noch an die Situation erinnern. Es war nach einer dieser ewig langen Vorlesungen bei Dr. Sommersby, die nur deshalb interessant waren, weil der Professor Caroline dabei ständig in ihr ausgesprochen einladendes Dekolleté gestarrt hatte und sich alle Studenten lustig darüber machten. Einige waren überzeugt, dass die beiden ein Verhältnis hatten. Sommersby war damals so alt wie er heute. Vierundvierzig Jahre, gut verheiratet und ein Ehrenmann. Außerdem Vater von zwei kleinen Söhnen. Ließ sich zwar von Caroline reizen, aber mehr war da nicht. Ein Mann mittleren Alters und eine Studentin. Er hatte alle ausgelacht, wusste er doch, dass Caroline mit ihm ins Bett ging und nicht mit Dr. Sommersby.

 Jedenfalls waren sie auf der Landstraße dahingefahren, sie hatte ihn mit ihrem Mund in Ekstase versetzt und dabei um einen klaren Kopf gebracht. Er dachte daran, wie sie ihre Zunge nur leicht über seine Spitze hatte gleiten lassen, bevor diese in ihrem Mund verschwunden war. Dachte an ihre saugenden Lippen und den kecken Blick, dem sie ihm zwischendurch zugeworfen hatte. Er war ihr verfallen gewesen. Gänzlich.

 Zwar hatte er bereits mit einigen Kommilitoninnen Sex praktiziert, doch keine hatte es ihm je mit dem Mund besorgt. Caroline war einzigartig. Er hatte sich glücklich geschätzt, dass sie mit ihm geschlafen hatte. Er hatte keine ernsten Absichten gehegt, dazu war sie ihm zu vulgär. Vor allem zu wenig intellektuell. Er hatte damals schon nicht verstanden, was sie in Harvard eigentlich gewollt hatte. Wie war sie nur zu ihrem Stipendium gekommen? An der außergewöhnlichen intellektuellen Begabung konnte es nicht gelegen sein ... Aber was interessierte es ihn? Er hatte nur eines im Sinn: Sie zu vögeln. Nicht mehr. Und sie war willig gewesen.

 Wieder kam ihm das Bild von der Cabrioletfahrt in den Kopf. Kurz vor seinem Höhepunkt hatte sie ihren Mund zurückgezogen, sich aufgerichtet und bestimmt gesagt: »Fahr rechts ran!«

 Er hatte gehorcht. Kaum waren sie am Straßenrand gestanden, hatte sie sich über seinen Schoß geschwungen. Sie hatte wie stets keinen Slip getragen, was ihn noch mehr gereizt hatte.

 »Nein Caroline, nicht ohne Schutz«, hatte er trotz der Lust, die er empfunden hatte, heiser gebeten.

 »Psst«, hatte sie nur geantwortet und begonnen, auf ihm zu reiten. Ihre vollen roten Lippen leckend. Durch halb geschlossene Augenlider hatte sie lasziv auf ihn geblickt, ihre Hände auf seine Schultern gelegt und sich dort abgestützt, während sie sich gemächlich gehoben und gesenkt hatte. Jedes Mal, wenn sie ihren Körper in seinen Schoß gepresst hatte, war ihr ein leises Stöhnen entkommen und sie hatte sich auf die roten Lippen gebissen. Das alleine hatte ihn verrückt gemacht. Und ihr üppiger Busen, der ohne Büstenhalter aus der dünnen Bluse gedrängt hatte.

 

 So hatte er sich nicht beherrschen können. Er wusste, dass er kurzzeitig überlegt hatte, sich ein Kondom überzuziehen, die Lust aber stärker gewesen war und er gedacht hatte, was wird das eine Mal ohne Schutz schon ausmachen. So hatte er seine Männlichkeit in ihr versprüht, mit Stolz, dass sein Samen sich in dieser wundervollen Frau verbreiten konnte.

 Sechs Wochen darauf hatte sie ihm mitgeteilt, dass sie schwanger war. Drei Monate danach hatten sie geheiratet, knapp sieben Monate später kam Lilly. Zart, denn sie war einige Zeit vor dem errechneten Termin. Er hatte gedacht, dass Lilly früher aus ihrer Mutter schlüpfen wollte, weil diese während dem Endstadium der Schwangerschaft nur mehr gestöhnt hatte, wie schrecklich sie sich fühlte. Wie ein Walross. Dabei wusste er genau, dass sie bereits zu dieser Zeit mit ihren Affären begonnen hatte. Es gab Männer, die auf Walrosse standen. So hatte sie sich einmal ausgedrückt.

 Hastig trank er den heißen Espresso, verbrannte sich fast den Gaumen, wollte aber so schnell als möglich einen klaren Kopf. Dann wählte er Carolines Handy-Nummer.

 »Was willst du?«, fragte sie gereizt.

 »Was hast du Lilly angetan?«

 Ein befriedigendes Auflachen auf ihrer Seite. »Hat sie es dir erzählt?«, fragte sie schadenfroh.

 »Nein, sie wollte mir nichts sagen. Ich solle dich fragen«, antwortete er aufgebracht.

 »Will dein Schätzchen dir nicht erzählen, was ihre liebe Mommy ihr gerade gebeichtet hat?«

 Es troff vor Verachtung aus dem Telefonhörer. Warum nur hasste sie Lilly so sehr? Ein so liebreizendes Geschöpf, von der man nicht glauben konnte, dass sie von dieser Mutter stammte. Wobei Caroline in der Öffentlichkeit stets die hingebungsvolle Ehefrau und Mutter gespielt hatte, somit hatte nie jemand seine Klagen ernst genommen. Sah man Caroline auf einer Party an seiner Seite, war man überzeugt, das perfekte Paar vor sich zu haben. Waren sie alleine zu Hause, warf sie nicht nur mit bösen Worten um sich, sondern auch mit Geschirr, Möbeln und Ähnlichem.

 Sein Wunsch war all die Jahre gewesen, Lilly zu beschützen, deshalb hatte er Caroline nicht verlassen. Wer weiß, was sie Lilly angetan hätte. So bildeten er und Lilly eine verschworene Gemeinschaft gegen Frau und Mutter. Natürlich fühlte sich Caroline ausgeschlossen, doch daran war sie selbst schuld.

 Sie gab Lilly nicht einmal das Mindestmaß an mütterliche Liebe, ihm verweigerte sie den ehelichen Beischlaf. Den holte er sich zwischendurch mit Gewalt. Worauf er nicht stolz war, ihn dafür am Morgen in den Spiegel schauen ließ, weil er sich zur Wehr gesetzt hatte. Zumindest empfand er es so, obwohl es bei Tageslicht besehen lächerlich war, wie er sich verhielt.

 Wenn sie es mit ihrer Zankerei wieder einmal auf den Höhepunkt getrieben hatte, fesselte er ihre Arme und Beinen an die Bettpfosten, während sie schlief.

 Begehrte sie wütend auf, steckte er ihr einen Seidenschal in den Mund, damit sie Lilly mit dem Geschrei nicht weckte. Dann nahm er sie. Grob. Vermied es tunlichst, seinen Samen in ihr zu verteilen. Denn ein weiteres Kind wollte er unter allen Umständen vermeiden. Sondern entleerte sich über ihrem Gesicht. Und erfreute sich diebisch an ihrem Ekel ausdrückendem Gesichtsausdruck.

 Komischerweise sprach sie diese nächtlichen Übergriffe nie an. Im Gegenteil. Sie war danach tagelang wesentlicher leidlicher und vertrug sich sogar mit Lilly. Seit einigen Jahren hatte er allerdings absolut keine Lust mehr auf sie verspürt. Er fühlte ausschließlich Verachtung. Pure Verachtung.

 Vergnügte sich lieber mit den Ehefrauen von Klienten. Die waren ihm dankbar für seine Hingabe. Er holte sich seine körperliche Befriedigung, aber befriedigt von den Abenteuern war er nicht. Er sehnte sich nach wirklicher Liebe. Echter Liebe mit einer Frau wie Lilly, die warmherzig, klug und hübsch sein und außerdem über einen brillanten Verstand verfügen sollte. Eine Frau, die zu ihm stand und nicht auf seinen Status als angesehener Anwalt und Spross einer der ältesten Familien Amerikas aus war.

 Lilly könnte einmal in seine Fußstapfen treten, auch was die politischen Ambitionen anbelangte. Er konnte seine Kandidatur zum Senator von Massachusetts nicht mehr bekannt geben, doch vielleicht konnte er Lilly in einigen Jahren unterstützen?

 Wir prüden Amis, dachte er amüsiert. Amerikaner akzeptieren in der Politik keine gescheiterten Ehen oder Ehebrecher. Offiziell muss in diesem Land alles sauber sein. Obwohl jeder wusste, dass so mancher Politiker seinen Schwanz nicht in der Hose behalten konnte. Macht zog Frauen magisch an, und welcher Mann konnte weiblichem Charme schon widerstehen? Er konnte es damals nicht. Und verdiente jetzt dieses Leben. Er wollte Caroline ausnutzen. Doch sie hatte den Spieß umgedreht. Er seufzte auf.

 Ein böses Lachen aus dem Telefon. »Also gut, ich erlöse dich. Ich hab deinem Schätzchen erzählt, dass du nicht ihr Daddy bist.«

 Eine lange Pause trat ein. »Wie bitte?«, presste er endlich hervor.

 »Du hast richtig gehört. Du bist nicht Lillys Vater. Jetzt kannst du deinen Gefühlen für Lilly endlich ihren Lauf lassen«, spie sie gehässig hervor.

 »Was willst du damit sagen?«, fragte er betroffen nach.

 »Na, du liebst sie ja schon eine ganze Weile«, keifte sie.

 »Was erlaubst du dir. Ja, ich liebe sie. Als Vater. Du weißt genau, dass ich ihr nie mehr als väterliche Gefühle entgegengebracht habe«, erwiderte er entrüstet.

 »Ja, ja, ich weiß mein Moralapostel. Nichtsdestotrotz liebst du sie. Aber mir ist es sowieso einerlei. Ich will von euch beiden meine Ruhe. Deshalb hab ich Lilly heute die Wahrheit gesagt. Sie ist erwachsen und muss sich ihren Dämonen stellen. Und du deinen«, kam es erneut gehässig.

 »Wer ist ihr Vater?«, fragte er kühl.

 »Dr. Sommersby«, antwortete sie ebenso kühl.

 Nein, dieser Schlag in die Magengrube. Sie hatte also doch was mit Sommersby, der sie noch dazu geschwängert hatte. Und ihm hatte sie es angehängt. Deshalb dieser Ritt damals am Straßenrand. Schön langsam ging ihm ein Licht auf. Was für ein abgefeimtes Luder.

 »Da staunst du, was? Alle wussten, dass ich ein Verhältnis mit dem guten Professor hatte, nur du nicht. Er konnte nicht zu dem Kind stehen, das hätte ihn seine Karriere gekostet. Also haben wir dich als Daddy auserwählt. War doch optimal, oder?«, grinste sie hämisch.

 »Hast du Lilly erzählt, dass ihr vergötterter Professor ihr Vater ist?« Denn zu allem Überfluss studierte seine Tochter – nein, Carolines Tochter – an derselben Universität wie sie beide damals.

 Wie hatte sie sich gefreut, als sie die Zulassung erhielt, denn nur zwischen fünf und sechs Prozent der Bewerber wurden jährlich akzeptiert. Die Vorfahren seiner Familie waren an der Gründung der Harvard University in Cambridge auf der Nordseite des Charles Rivers, gegenüber von Boston, beteiligt. Die Eliteeuniversität war die älteste des Landes und wurde im Jahr 1636 vom General Court der Massachussetts Bay Colony ins Leben gerufen. Seinen Namen erhielt die Universität von dem puritanischen Theologen John Harvard, der 1638 sein Vermögen dem College vermacht hatte. Seit mehr als dreieinhalb Jahrhunderten wurde an den mittlerweile zehn verschiedenen Fakultäten gelehrt und geforscht. Hier erhielt Amerikas akademische, wirtschaftliche und politische Elite ihren letzten Schliff. Acht ihrer Präsidenten, von John Adams bis Barack Obama, studierten hier, über vierzig Nobelpreisträger forschten an dieser Universität. Und selbst diejenigen, die ihr Studium nicht in Harvard beendeten, waren erfolgreich – wie Bill Gates, der hier ebenfalls einmal inskribiert war. Wie sagte der ehemalige »Außenminister« von Harvard, Richard Hunt, so schön: ›Aus eckigen Charakteren runde Klassen bilden, das ist eine unserer Maximen.‹

 Es war Familientradition, in der dortigen School of Law den Abschluss zu machen. Es war nicht selbstverständlich, aufgenommen zu werden, auch wenn man über eine einflussreiche Familie verfügte und einen ausgezeichneten Notendurchschnitt aufweisen konnte. Vielmehr zählten bei der Auswahl der Studenten auch Eigenschaften wie Führungsqualitäten, Charakterstärke, soziales Engagement, intellektuelle Neugier, Integrität und Reife. Dr. Sommersby unterrichtete nach wie vor englisches Recht und war Lillys absoluter Favorit. Er sei immer so nett zu ihr, so zuvorkommend, behandle sie wie eine Tochter, schwärmte sie jedes Mal von ihm. Kein Wunder!

 »Nein, das überlass ich dir. Kannst ja besser mit ihr umgehen. Sie vertraut ihrem Daddy«, grinste sie erneut hämisch. »Übrigens, ich hab dir grad eine Mail mit meiner neuen Kontonummer und Adresse geschickt. Dahin kannst du deine Unterhaltszahlungen an mich in Zukunft überweisen«, und legte auf.

 Du wirst dich wundern, da wird nichts eintreffen, freute er sich schon diebisch auf ihr enttäuschtes Gesicht, wenn keine Zahlungen erfolgen würden. Sie hatte seine Karriere mit der Trennung ohnedies bereits zerstört, was machte es noch aus, wenn er die Zahlungen verweigerte und sie in der Öffentlichkeit Schmutzwäsche wusch? Bei dem, was sie ihm und Lilly angetan hatte, verdiente sie es nicht besser. Ihm wurde übel, wenn er an die Pressekampagne dachte, die diese Eröffnung nach sich ziehen würde. Aber jetzt musste er sich um Lilly kümmern.

 Schweren Herzens stieg er die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Ihr Weinen war leiser geworden. Wie nur sollte er ihr begegnen? Sie war eine junge, attraktive Frau. Vor ein paar Tagen hatte sie sich noch vertrauensvoll an ihn geschmiegt. »Daddy«, hatte sie gesagt, »warum können die Jungs nicht so sein wie du? Diese albernen Sprüche, ihr dummes Gehabe. Glauben die wirklich, sie können ein Mädchen damit beeindrucken?«

 Er wusste, dass sie keinen festen Freund hatte, nur flüchtige Bekanntschaften oder Studienfreunde, mit denen sie hin und wieder ausging. Wenn er sie fragte, wie das Date verlaufen war, kam stets die gleiche Antwort.

 »Langweilig. Sie wollten nur mit mir ins Bett. Und ihre Anmachsprüche waren nicht einmal originell. Unterhalten kann man sich ebenfalls über nichts. Außer ihren Smartphones und den diversen Apps darauf haben sie nichts im Sinn. Was soll ich mit so einem anfangen?«

 Ja, er hatte seine Tochter – hatte Lilly zu einem interessierten Menschen erzogen. Von klein auf hatte er mit ihr über Politik diskutiert.

 Zuerst über die, die sie unmittelbar betraf, wie ihren Kindergarten oder die Primary School. Später, als sie die High School besuchte, haben sie über Massachusetts und die Zustände in ihrem Umkreis gesprochen. Die Themen ständig erweitert, bis sie über die Welt im allgemein zu diskutieren anfingen. Lilly war klug, studierte neben Jura noch Politikwissenschaften in Harvard, weil sie in seine Fußstapfen treten wollte. Wie sie das jetzt wohl sah?

 Siedendheiß fiel ihm ein, dass sie auch mit einem der Söhne von Sommersby aus gewesen war. Hoffentlich war da nicht mehr passiert als ein schüchterner Wangenkuss. Wie konnte Sommersby das zulassen? Er wusste doch Bescheid ... was nur ging in dem Mann vor?

 Ben stand vor Lillys Tür. Sein Herz klopfte laut. Hatte Caroline recht, dass er nicht nur väterliche Gefühle für Lilly empfand? Blödsinn, schimpfte er. Das ist wieder einmal nur einer ihrer gehässigen Sprüche, um Unruhe zu schüren. Trotzdem war ihm mulmig zumute, wenn er daran dachte, dass er einem jungen, aufgelösten Mädchen gegenüber trat, das wusste, dass er nicht sein Vater war. Diese unbeschwerte Vertrautheit wird wohl vorbei sein, überlegte er bekümmert.

 »Lilly«, flüsterte er mit einem Kloß im Hals. Er räusperte sich. »Lilly«, versuchte er es erneut und klopfte an ihre Tür.

 »Es ist offen«, erklang ihre sonst so fröhliche Stimme tief bekümmert. Er trat ein. Seine wunderhübsche Tochter – Lilly saß auf dem Bett, völlig aufgelöst, das dunkelblonde, normalerweise seidig glänzende Haar hing ihr wirr und nass um den Kopf. Tränen schimmerten nicht nur in ihren wasserblauen Augen, die je nach Stimmung extrem hell oder sehr dunkelgründig sein konnten, sondern liefen ihr nach wie vor über ihr zartes Gesicht.

 Sie blickte scheu zu ihm auf. Der Blick tat ihm weh. Und die Gewissheit stellte sich ein, dass es mit der väterlichen Vertrautheit vorbei war. Es würde nie wieder so sein wie früher. Sie müssen sich erst eine neue Basis erarbeiten, dachte er traurig. Lilly blickte ihn an wie einen Fremden.

 

 »Sie hat es dir gesagt, ja?«, flüsterte sie kaum hörbar.

 Er nickte nur.

 »Wie konnte sie uns das antun? Uns so hassen?«, presste sie verzweifelt hervor.

 »Ich habe keine Ahnung«, konnte er nur bekümmert antworten.

 »Hast du nie etwas geahnt? Oder vermutet?« Ihr verzweifelter Blick schnürte ihm die Kehle zu, also schüttelte er nur den Kopf.

 »Nein«, sagte er schließlich mit fester Stimme. »Nein. Ich bin überhaupt nie auf die Idee gekommen, dass sie mir ein Kind unterschieben könnte. Ich habe ein einziges Mal mit ihr ohne Kondom geschlafen. Und da konnte es ohne Weiteres passiert sein. Heute weiß ich, dass dieses eine Mal ein ausgeklügeltes Spiel von ihr war, um mir die Vaterschaft anzuhängen. Du weißt ja, wie ich erzogen worden bin. Mir kam so etwas Ungeheuerliches nicht in den Sinn, obwohl ich als Anwalt doch einiges gewöhnt sein müsste«, schüttelte er resigniert den Kopf.

 Wie oft erfuhr er die haarsträubendsten Geschichten über seine Klienten, aber das so etwas ihm passieren könnte, dem Sohn aus gutem Hause, der seine Verwandtschaft bis auf die Pilgrim Fathers zurückverfolgen konnte? Wie konnte er so dumm sein und sich von einem Mund, der es verstand, Männer um ihren Verstand zu bringen, um seinen bringen zu lassen?

 Er setzte sich zu Lilly aufs Bett, legte vorsichtig einen Arm um ihre Schultern. Sie zuckte zurück. Verlegen nahm er den Arm weg. »Entschuldige, ich wollte dich nur trösten«, sagte er bekümmert.

 »Ich weiß«, flüsterte sie kaum hörbar.

 Ihr Blick dabei ging ihm durch und durch, dann senkte sie ihre Augen auf den Boden. So saßen sie eine Weile. Beide mit gesenkten Augen, Händen, die auf ihren Knien ruhten und lauschten ihren Gedanken, die sie sich nicht auszusprechen getrauten.

 Er spürte eine eigentümliche Unruhe in sich aufkommen. Ein Gefühl, das vom Magen her kommend durch seinen Körper zog. Fahrig fuhr er mit den Händen über sein Gesicht, als wollte er die aufkommenden Empfindungen und Gedankengänge verscheuchen. Nein, das war zu verrückt. Er wird doch nicht ... Unruhig schaute er auf Lilly. Die hatte ihr Gesicht gehoben und blickte ihn geradeheraus an. In ihre blauen Augen hatte sich ein Lächeln geschoben.

 »Es ... es tut mir so leid, Lilly«, stotterte er verlegen.

 »Mir nicht«, antwortete sie bestimmt.

 Verwundert sah er sie an. »Wie ... was ...«, konnte er nur stammeln.

 »Es tut mir nicht leid, dass du nicht mein Vater bist. Im Gegenteil. Ich bin froh darüber. Viel zu lange schon hadere ich mit dem Schicksal, dass ich dich nicht lieben darf wie einen Mann, weil du mein Vater bist. Seit ich denken kann, wünsche ich mir einen Mann wie dich. In all den Jungs, mit denen ich aus war, habe ich nur dich gesucht. Ich liebe dich, Ben Warden. Und nun darf ich es auch laut und deutlich sagen, ohne mich eines Vergehens schuldig zu machen«, strahlte sie ihn an.

 Überrascht über dieses Geständnis blickte er auf sie. Und wusste in dem Moment, was seine Gefühle, die in seinem Körper tobten, bedeuteten. »Lilly«, brachte er nur brüchig hervor.

 Da umarmte sie ihn bereits stürmisch und küsste ihn leidenschaftlich. Ohne Scheu drängte sie ihren schlanken Körper an seinen. Er konnte ihre kleinen festen Brüste spüren und registrierte mit Unbehagen, wie sich bei ihm mehr regte.

 »Lilly, lass uns nichts überstürzen«, versuchte er, die Situation zu beruhigen. Was, wenn das nur eine Trotzreaktion auf die Eröffnung ihrer Mutter war, um sich an Caroline zu rächen, und sie es später bereuen würde?

 »Warum?«, entgegnete sie leichthin. »Ich weiß, dass du dasselbe für mich empfindest. Warum also nicht dem Gefühl nachgeben?« Ihre großen, nun sehr dunklen Augen, blickten erwartungsvoll in sein Gesicht.

 Er strich über ihre Wange, hob ihr Gesicht mit einem Finger unter ihrem Kinn zu sich. »Bist du dir sicher?«, fragte er eindringlich.

 »Ja«, flüsterte sie. »Ich bin mir sicher. Ich liebe dich. Und ich habe mich für dich aufgehoben. Öfter schon dachte ich, ich will es mal probieren. Wollte wissen, wie es ist, wenn man zur Frau gemacht wird. Aber immer hielt mich etwas davon ab. Ich wollte es mit dem Mann das erste Mal tun, den ich wirklich liebe. Und das bist du.« Ihr offenes Gesicht, das zugleich so verletzlich wirkte, rührte ihn. Sie hatte noch mit keinem Mann ...

 »Du meinst ... du bist ...«, stotterte er erneut.

 »Ja, ich bin noch Jungfrau. Hoffentlich nicht mehr lange«, lachte sie befreit. Erfreut registrierte er eine neue Vertrautheit zwischen ihnen, die Vertrautheit der Liebe. Gleichzeitig war er froh, dass seine Befürchtungen nicht zutrafen, sie hätte mit Jeff Sommersby ...

 »Nein, diesen Status wirst du bald verlieren«, und er senkte seine Lippen auf ihre, die sie ihm ungeduldig entgegengestreckt hatte. Zärtlich zuerst küsste er sie, strich durch ihr langes Haar, wickelte eine Strähne um seinen linken Zeigefinger.

 Als er ihre Lippen frei gab, murmelte sie in seinen Mund. »Ich liebe dich, Ben«, und wie selbstverständlich sprach sie seinen Vornamen aus.

 Bisher war er stets ihr »Daddy« gewesen, sie fand es lächerlich, wenn ihre Freundinnen ihre Väter beim Vornamen nannten. Aber nun ... Sie hat die Situation wesentlich besser im Griff als ich, dachte er verwundert. Sie war die Starke und Mutige, er war unsicher und nervös. Weil sie um so vieles jünger war oder er sie noch als seine Tochter betrachtete?

 Da stand sie auf und zog ungeniert ihr Kleid aus. Sie trug keine Spitzenunterwäsche wie gestern Deborah, doch ihr Körper reizte ihn bedeutend mehr. Ein gertenschlankes Mädchen, mit fraulichen Rundungen, stand vor ihm und blickte ihn erwartungsvoll an.

 »Was ist?«, flüsterte sie, denn er starrte sie nur an. Nie hätte er gedacht, dass er dieses liebreizende Geschöpf einmal als Mann betrachten würde. Er streckte ihr die Hand entgegen, sie nahm diese und er zog sie auf seinen Schoß. Er strich mit beiden Händen über ihren Rücken, öffnete den Verschluss ihres Büstenhalters. Der fiel von selbst in ihren Schoß. Er beugte sich zu ihr, küsste zärtlich zuerst die eine, dann die andere Brustwarze. Sie stöhnte auf. Und begann, seine Hemdknöpfe zu öffnen. Fuhr mit ihrer Nase seinen Hals entlang, schmiegte ihren Kopf an seine behaarte Brust.

 Verzückt gurrte sie, als sie ihren nackten Oberkörper an seinen drängte. Er küsste ihren Haaransatz, da hob sie ihren Kopf und sie fielen in einen leidenschaftlichen Kuss.

 Nach Luft schnappend sprang sie von seinem Schoß, zog dicht vor ihm stehend ihren Slip über die Hüften. Ihm blieb fast der Atem stehen, als sie wie Gott sie schuf vor ihm stand. »Du bist wunderschön«, flüsterte er, riss sich sein Hemd vom Körper und schlüpfte aus seiner Hose.

 Erneut streckte er seine Hand nach ihr aus. Vertrauensvoll legte sie ihre in seine und er zog sie in ihr Jungmädchenbett. Sie hatten zwar vorgehabt, ihr Jungmädchenzimmer zu renovieren, aber Lilly hatte abgelehnt. Lachend hatte sie gemeint, sie wolle es so belassen, das erinnere sie an ihre Kindheit und seine Märchenerzählungen. Nun würde er sie in diesem Bett lieben. Und ihr nie mehr Märchen erzählen.

 Da lag sie nun unter ihm. Nackt. Seine Tochter. Nein, Carolines Tochter. Seine geliebte Lilly. Caroline hatte recht, er liebte sie. Nicht wie eine Tochter, sondern wie eine Frau. Und das schon eine Weile, als hätte er gespürt, dass ihn mit Lilly mehr verband als väterliche Liebe.

 »Bist du bereit?«, flüsterte er rau.

 »Ja«, nickte sie zusätzlich bekräftigend mit dem Kopf. »Ja, ich bin bereit. Für dich«, hauchte sie mit einem verzückten Lächeln auf den Lippen.

 »Lilly, du bist wunderschön. Du hast keine Ahnung, wie glücklich du mich machst«, und er drang langsam und gefühlvoll in sie ein. »Ich werde dich jetzt zur Frau machen. Zu meiner Frau«, und küsste die Glückstränen weg, die über ihre Wangen kullerten. Übersah dabei die Frau, die in der Tür stand und hasserfüllt auf das Treiben vor ihr blickte. Und diese Frau dachte nur mehr eins: Ich werde dich vernichten, Ben Warden!

 Er spürte den leichten Widerstand, den Lillys Jungfernhäutchen verursachte und war stolz, dass er es sein durfte, der sie entjungferte. Zärtlich liebte er sie und war glücklich, als er ihr Aufbäumen in dem Moment seiner höchsten Befriedigung spürte. Liebevoll raunte er: »Ich liebe dich Lilly, wie ich noch keine Frau vor dir geliebt habe.«

 Ihre Antwort war ein lustvoller Aufschrei, indem der Knall der zuschlagenden Eingangstür unterging.